Donnerstag, 7. Oktober 2010

Nichts ist besser als gar nichts



Durch einen unglücklichen Zufall findet sich der Filmemacher plötzlich ohne Barmittel und Scheckkarte in einer fremden Stadt wieder – sein einziges Kapital ist eine Gruppenkarte für die öffentlichen Verkehrsmittel. Spontan hat er die Idee, sich mit ihrer Hilfe aus seiner aktuellen Notlage zu befreien, indem er Reisende gegen kleines Entgelt durch die Stadt begleitet. Als er bei seiner ersten Fahrt auf einen Unternehmensberater trifft, der ihm eher spaßhaft Tipps zur Existenzgründung als “freier Reisebegleiter” gibt, lässt er sich auf dieses Spiel ein.
Doch das Geldverdienen mit neuen und unbekannten Dienstleistungen läuft schlechter als erwartet. „Zwar brummt der Laden, mein Geschäft läuft aber nur stockend. Statt Euros kassiere ich Absagen und vergeude wertvolle Zeit“.
Immerhin bekommt er auch Hilfe und Rat:
Der Unternehmensberater wird zum Stammkunden und gibt dem Filmemacher wertvolle Ratschläge für die Verkaufsgespräche.
So kommt Peters bald zu einer Corporate Identity für seine neue Firma, besorgt sich Berufskleidung, Visitenkarten, Namensschild, Aufkleber:
„Sei fit, fahr mit!“. Ein mit Hartz IV lebender Fotokünstler weiht ihn in die Geheimnisse des Businessplans ein und empfiehlt ihm die städtische Coaching-Stelle für Betriebsgründer.
Da schlechte Geschäfte durch eine Diversifizierung der Angebotspalette angeblich besser werden, bietet er, gecoacht von einem erfahrenen Straßenverkäufer, in der Frühschicht zusätzlich Obdachlosenzeitungen an und investiert schließlich in ein Daumenkino des Fotokünstlers, das er an seine Mitfahrer losschlagen will.

Bei seinen Touren durch die Stadt taucht er in einem Parraleluniversum: Er trifft Geschäftsleute aus der Zwischenwelt, wie er selbst einer ist, Berufsschüler ohne Hauptschulabschluss, die “Ordensbrüder für den Frieden”, die vor der Deutschen Bank gegen den Kapitalismus antrommeln, eine mit ihren immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen hadernde Tagesmutter,
die eine Petition zur Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens für alle auf den Weg gebracht hat.
Und erfolglose Künstler, die nun auf dem Dach eines Museums Bienen für sich arbeiten lassen und doch vom Honig nicht leben können…



Jan Peters’ hintergründig ironisch erzählter Dokumentarfilm führt uns in die obskure Welt der Nebenjobs und der abenteuerlichen Geschäftsmodelle.
Wir begegnen Sorgenvollen und Beladenen, Gleichmütigen, Hoffnungsfrohen und solchen, die voller Mut, Solidarität und Kreativität einen Ausweg aus ihrem Schlamassel suchen.
NICHTS IST BESSER ALS GAR NICHTS zeichnet eine Bestandsaufnahme der Arbeitsgesellschaft im Wandel, die Viele an den Rand, ins Abseits drängt. Bei seinem Selbstversuch begegnet der Filmemacher Menschen, die  selten in den öffentlichen Medien gehört werden und zwangsläufig eine andere Sicht auf die Dinge haben.
So führt und NICHTS IST BESSER ALS GAR NICHTS einerseits die soziale Realität der an den Rändern dieser Gesellschaft und agiert andererseits in spielerischer Zuspitzung stellvertretend für eine Mittelschicht, die den drohenden Absturz stets vor Augen hat.
Kino für Alle:
In Deutschland beziehen rund 5 Millionen Menschen Hartz IV, im Januar 2010 waren das 7,9% der deutschen Bevölkerung. Ihnen steht monatlich ein Regelsatz von maximal 39,49€ für „Freizeit, Unterhaltung und Kultur“ zur Verfügung. Das sind keine 1,30€ pro Tag. Kinobesuch ist damit ein echter Luxus.
Im November 2010 wird Filmtank den Dokumentarfilm NICHTS IST BESSER ALS GAR NICHTS ins Kino bringen. Der Film zeigt eine Arbeitsgesellschaft im Wandel, in der ein wachsender Teil der Bevölkerung Zuflucht zu „selbständigen Tätigkeiten“ nehmen muss.
In NICHTS IST BESSER ALS GAR NICHTS
sehen wir Menschen, denen es mit Ideenreichtum, Geduld, Witz und viel Mühe gelingt, sich trotz verschärfter Bedingungen irgendwie durchzuschlagen.
Parallel zum Kinostart starten wir die Aktion KINO FÜR ALLE, die BezieherInnen von Hartz IV den Kinobesuch von NICHTS IST BESSER ALS GAR NICHTS zum Tagessatz von 1,30€ für „Freizeit, Kultur und Unterhaltung“ möglich machen soll.
Damit wollen wir nicht nur denen die Möglichkeit geben den Film zu sehen, die sich einen Kinobesuch im Normalfall nicht leisten können, sondern auch auf einen allgemeinen Mißstand in unserer Gesellschaft aufmerksam machen: Kultur sollte jedem zugänglich sein.

Am 10. November Kinostart
(Foto: (c) Marcus Winterbauer/Filmtank)

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