Sonntag, 23. Januar 2011

Der tolle Aufschwung

Rede Gregor Gysi im Bundestag (es gilt das gesprochene Wort / in Klammern PPD Bemerkungen)

„... also Herr Steinmeier mir ist aufgefallen, dass Sie gesagt haben, das die Union und die FDP ihre Reformen von SPD und Grünen nutzen. Das sollte Ihnen aber nicht positiv auffallen sondern negativ, das den Konservativen und Neoliberalen ihre Reformen so gefallen. Aber abgesehen davon, Herr Brüderle, haben Sie beim Aufschwung doch ein paar Fakten vergessen. Da muss ich Sie einfach erinnern. Also erstens, der Aufschwung macht ein Wirtschaftswachstum von 3,6% aus, im Jahr davor hatten wir ein Minus von 4,7%, das heißt wir stehen immer noch schlechter da als 2008. Das hätte doch Ihr erster Satz sein können? Abgesehen und das ist das Entscheidende haben Sie überhaupt nicht über die Frage geredet: für wen wir Aufschwung haben und für wen wir keinen Aufschwung haben und was Sie dazu gesagt haben stimmt nicht. Wir haben einen Aufschwung das stimmt, für die Deutsche Bank, wir haben auch einen Aufschwung für Vermögende, auch für Spekulanten, das stimmt, aber wir haben keinen Aufschwung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben keinen Aufschwung für Rentnerinnen und Rentner, wir haben keinen Aufschwung für Kranke, wir haben keinen Aufschwung für Hartz-IV Empfängerinnen und Hartz-IV Empfänger, was hat denn die Hartz-IV Empfängerin von Ihren Aufschwung, fünf Euro wollen Sie ihr geben, machen Sie sich doch nicht lächerlich auf dieser Strecke, kann ich nur sagen. Die Reallöhne, die Reallöhne, Herr Brüderle, sind im letzten Jahr um 0,1% gestiegen, aber das Geldvermögen ist im letzten Jahr in Deutschland um 4,7% gestiegen. Das Brutto-Geldvermögen hat um 220 Milliarden Euro zugenommen und liegt jetzt bei 4,9 Billionen Euro, ein unvorstellbarer Betrag. Nun könnte man ja sagen, na gut wenn alle mehr Vermögen haben, was spricht denn dagegen? Das Problem ist nur, dass ein Prozent der Bevölkerung ein Viertel des Geldvermögens besitzt, 1% der Bevölkerung besitzt ein Viertel des Geldvermögens. 10% der Bevölkerung besitzen 60% des Geldvermögens und zwei Drittel der Bevölkerung besitzen gar kein Vermögen. Das ist die grobe Ungerechtigkeit, an der Sie nichts ändern, sondern Sie spitzen das sogar weiter zu. In der Krise, ich bitte Sie Herr Brüderle, in der Krise, das hätten doch Sie eigentlich auch mal kritisieren müssen, in der Krise hat die Zahl der Vermögensmillionärinnen und Vermögensmillionäre um 51.000 zugenommen! Die Zahl liegt jetzt bei 861.000. Und das erklären Sie doch mal denen die nicht wissen wie sie irgendwas bezahlen sollen. Wozu brauchen wir denn so viele Vermögensmillionäre, mit etwas weniger kann man auch sehr gut leben in unserer Gesellschaft. Sie nicht? Ja dann tut es mir Leid von der FDP, wenn Sie sich das nicht vorstellen können. So, aber bei uns nimmt ja nicht nur Reichtum zu, bei uns nimmt auch Armut zu und da hilft am besten immer ein Zehnjahresvergleich. Also, von 2000 bis 2010 hat das Geldvermögen, das Private von 3,5 auf 4,9 Billionen Euro zugenommen, also es ist gestiegen auf 150%. Nach einer Studie des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung hat die Armut in den letzten zehn Jahren um ein Drittel zugenommen, von 11% Prozent der Bevölkerung auf 14% der Bevölkerung. Das heißt, Armut trifft nicht mehr 7,7 Millionen Menschen, sondern 11,5 Millionen Menschen, da reden Sie vom Aufschwung. Erklären Sie doch mal den 11,5 Millionen Menschen worin der Aufschwung für Sie besteht! Nur in Deutschland, sanken in den letzten zehn Jahren die Reallöhne, laut internationaler Arbeitsorganisation, also ILO der UNO, um 4,5%. Der durchschnittliche Bruttoverdienst sank um 100 Euro. Wir sind Lohnsenkungs-Weltmeister, ja Herr Brüderle und wenn Sie von Export reden, müssen Sie doch mal sagen, der Exportanstieg ist darauf zurückzuführen das in Deutschland die Löhne gesenkt wurden, die Renten gesenkt wurden und die Sozialleistungen gesenkt wurden. Denn das macht ja die Produkte billiger. Das heißt, Ihr ganzer Exportüberschwung ging zu Lasten der Bevölkerung. Das müssen Sie sagen und das haben Sie verabsäumt zu erklären. Und die Reallöhne in den andern Ländern haben sich anders entwickelt, sie sind gestiegen in Spanien, in Frankreich, in Großbritannien, in Finnland, in Norwegen. In Norwegen sogar um 25%, nur bei uns sind sie gesunken. Und daran tragen alle Regierungen die letzten drei Regierungen Verantwortung, SPD und Grüne, Union und SPD, und jetzt Union und FDP. Die umgekehrte Entwicklung hat natürlich auch damit zu tun, und das haben Sie jetzt alle so gewürdigt, das die prekäre Beschäftigung in Deutschland zugenommen hat. 22% der Beschäftigten in Deutschland sind Prekär beschäftigt. In Teilzeit, in Leiharbeit, in Minijobs, sind Aufstockerinnen oder Aufstocker. Erklären Sie denen Ihren Aufschwung! Erklären Sie's und die Zahl nimmt ja nicht ab, sie nimmt ja zu. Nehmen wir mal die Vollzeitarbeitsplätze, die sozial Versicherungspflichtigen Vollzeitarbeitsplätze im Laufe der letzten zehn Jahre. Die haben nicht zugenommen Herr Brüderle, weil Sie so Stolz sind auf Abbau der Arbeitslosigkeit, die haben abgenommen und zwar um 1,4 Millionen. Aber die Teilzeitarbeitsplätze haben zugenommen und zwar um 1,6 Millionen, jetzt sind wir bei 5,4 Millionen Teilzeitarbeitsplätzen. Die Niedriglohn Beschäftigten haben zugenommen, von 5 Millionen auf 6,6 Millionen, die Zahl der Minijobs ist gestiegen von 5,5 Millionen auf 7 Millionen und die Leiharbeit ist gestiegen von 320.000 auf 921.000. Erklären Sie den Leuten den Aufschwung, was sie davon haben. Sie haben damit den ganzen Arbeitsmarkt zerstört und die Gewerkschaften ungeheuer geschwächt und das merken wir alle. Selbst die Aufstockerinnen und Aufstocker haben vom Aufschwung her zugenommen und zwar liegen wir, um 100.000 haben sie zugenommen und sind jetzt bei 1,4 Millionen. Auch ein toller Aufschwung für die Betroffenen. In Ost-Deutschland muss fast jeder Dritte zu einem Einkommen unter 860 Euro arbeiten. Und in ganz Deutschland sind es 22%. Eine Studie hat jetzt herausgearbeitet, das eine Leiharbeiterin oder ein Leiharbeiter im Schnitt 900 Euro weniger verdient als eine Beschäftigte ohne (!) Berufsausbildung, im Schnitt 900 Euro weniger. Daran müssen wir etwas ändern anstatt hier vom Aufschwung zu reden. Kümmern Sie sich doch mal um das Schicksal von Millionen Menschen in diesem Land. Was wir jetzt wirklich dringend brauchen und was Sie leider verweigern, gerade als FDP, ist ein flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Sie wissen gar nicht was Sie anrichten, wenn am 1.Mai Freizügigkeit herrscht und wir keine Mindeststandard diesbezüglich gesetzt haben. Und ich sagen Ihnen die Folge wird dann auch eine zunehmende Ausländerfeindlichkeit und Rassismus sein und das können wir überhaupt nicht gebrauchen. Zeigen Sie einfach mal Verantwortung, zeigen Sie Verantwortung und führen Sie einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland ein. Ach quatschen Sie doch nicht so ein dummes Zeug Herr Lindner. Was an Ihnen Liberal ist würde ich gerne mal wissen. Sie sind ja so das intoleranteste was mir je begegnet ist. Aber mal abgesehen davon sage ich Ihnen mal, die Druckerei Klopp, weil Sie sagen Aufschwung ja, macht gerade dicht, 2000 Beschäftigte werden entlassen, in Freudenstadt, Nürnberg, Landau und Hamburg. Das Unternehmen Power-Alstom in Mannheim, kürzt um 400 Stellen. Erklären Sie den Leuten den Aufschwung. Die Lohnsteigerung die wir jetzt brauchen müssen wirklich mal von einem andern Kaliber sein als in den vergangenen Jahren. Wir hatten einen Reallohn Verlust von 4,5%, deshalb sage ich wir brauchen in diesem Jahr mindestens 5% und angemessen wären 10%, wenn man dann tatsächlich einen Produktivitätsaufschwung setzt. Ja wir brauchen auch Rentenerhöhung, wir brauchen auch Erhöhung der Sozialleistung und ich sage Ihnen, statt Hartz-IV brauchen wir endlich eine angemessene Grundsicherung in unserer Gesellschaft und zwar Sanktionsfrei. Jetzt sagen Sie ja Ihre ganze Entwicklung sei so toll, Sie gehen einen andern Weg und die anderen Länder machen alles falsch. Ich kenne diese Art von Egozentrismus, ich glaube sie ist völlig falsch. Was Sie jetzt machen, ja ich will Ihnen sagen was Sie in Griechenland anrichten. In Griechenland werden die Reallöhne um 11,2% gesenkt, die Industrieproduktion um 20,7%, die Industrieaufträge sind um über 46% zurückgegangen, das finden Sie alles richtig. Sie sagen wir müssen sparen, sparen, sparen. Das selbe sagen Sie bei Irland, das selbe sagen Sie bei Portugal und das selbe sagen Sie bei Spanien. Ich sage Ihnen, solche Verträge die die Leute zu einen solchen Sozialabbau zwingen haben verheerende Folgen. Sie müssen mal im Geschichtsbuch nachlesen, Versailles war auch so ein Vertrag, das Deutschland dazu gezwungen hat diesen Weg zu gehen und dieser Weg war völlig falsch, dieser Weg hat mit dazu geführt das die Nazis so stark geworden sind! Wir können überhaupt nicht regulieren was in diesen Ländern passiert wenn die dort einen solchen Sozialabbau organisieren! Das ist der völlig falsche Weg! Übrigens noch ein Beispiel für den Aufschwung. Die Europäische Zentralbank darf ja Griechenland keinen Kredit geben, aber die Europäische Zentralbank darf ja der Deutschen Bank einen Kredit geben, dann holt sich die Deutsche Bank dort eine Milliarde und zahlt 1% Zinsen, dann geht die Deutsche Bank nach Griechenland und sagt, ihr kriegt die Milliarde müsst aber leider 11% Zinsen bezahlen. Da verdienen die für eine Überweisung 10% das sind 100 Millionen. Da organisieren Sie den Aufschwung das stimmt Herr Brüderle, aber wir brauchen einen anderen Aufschwung in unserer Gesellschaft (Brüderle lacht auf seinem Sitz). Ein Quatsch. Jetzt haben wir noch die Spekulation auf die Nahrungsmittel- und Rohstoffmärkten, ich sag Ihnen, Weizenpreise sind um 40% gestiegen, ich sage Ihnen Spekulationen mit Nahrungsmitteln sind ein Verbrechen, das müssen Sie verbieten. Also lassen Sie mich zum Schluss sagen, lassen Sie mich zum Schluss sagen, Sie wollen nur den Export stärken, wir wollen die Binnenwirtschaft stärken. Sie wollen und organisieren den Aufschwung für die Deutsche Bank (denken Sie an die Zimmermann Feier im Bundeskanzleramt), die Konzerne (Übernahme von Konzerntexten als gesetzliche Grundlagen), die Großaktionäre (Spekulationsgeschäfte sind immer noch erlaubt) und Vermögende (ab einen bestimmten hohen Einkommen steigen die Sozialabgaben nicht mehr), wir dagegen fordern endlich einen Aufschwung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Rentnerinnen und Rentner, für die Hartz-IV beziehenden und die kleinen und mittleren Unternehmerinnen und Unternehmern. Und es wird auch Zeit das die mal einen Aufschwung erleben."

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