Aus der Serie „neulich in der EU“
Rede des EU-Abgeordneten Dr. Freiherr von Fittenschnittich / EU-Parlament / Archivsammlung 2009-01-06/EU-N/O-R-M
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
in der Gurkentruppe, ähem * räusper, hüstel * äh .. die EU-Kommission hat sich nun entschlossen, und es ist Ihnen sicherlich nicht leicht gefallen, die seit 20 Jahren existierende EU-Vorschrift, dass nämlich die hinlänglich bekannte und profane grünliche Gemüsegurke (auch prekarianisch genannt: Salatgurke) von ihrer vorgeschriebenen Norm abweichen darf. In einem 20-jährigen andauernden Prozess, begleitend durch das Monitoring der EU, hier durch den EU-Kommissar(in), verbunden mit zum Teil auch konstruktiven Arbeitskreisen (Ausschüssen) und einer nicht unerheblichen Anzahl von Debatten, ist es dem demokratischen Konstrukt gelungen, auch und ob wohl gegen den Widerstand der Agrarlobby, gerade Gurken lassen sich besser stapeln und sehen – geben wir es doch offen zu, sie sehen einfach besser aus; der Gurke ihren natürlich Lebenswuchs zu erlauben. Aber, ich bitte Sie allen ernstes, auch ein krummes Ding kann manchmal schön aussehen (der Spruch ist nicht von Politikfiguren entnommen ... obwohl er...). Am 1.Juli 2009 bekommt in der EU die Gurke ihre Freiheit zurück. Sie darf also auch außerhalb der „10 mal 10“ Knebelverordnung (10 Millimeter auf 10 cm Krümmungserlaubnis) wieder wachsen wie sie will, oder um einen kleinen Scherz anzubringen, wie Gott sie geschaffen hat, ha-ha-ha. Nun ist es ja nicht nur bei der Gurke geblieben, denn mit dem Fall der Mauer ...äh, dem Fall der Gurkennorm sind auch die * ähem * Schönheitsvorschriften für weitere 25 Obst- und Gemüsesorten entfallen. Nur um Ihnen ein Beispiel zu geben, wenden wir den Blick auf die Karotte. War sie nicht das Paradebeispiel für preußischen Wachstum und Haltung? Egal wo sie eingekauft haben, die preußische Karotte sah immer gleich aus. Das ist Disziplin, meine Damen und Herren. Jetzt, und vielleicht ist das ein nicht zu wegwischender Grund, warum sich Bauernlobby aufregt, darf auch die kleine knubbelige, manchmal sehr dicke Karotte im Supermark herumliegen. Die EU sorgt eben für Freiheit, Demokratie und Wachstum. Ja meine Damen und Herren, sagen wir es stolz und laut in die globale Welt hinaus. Die Kirsche, um ein weiteres Beispiel anzuwenden, sogar kleinwüchsige Kirschen haben wieder eine Chance und werden an diesem historischen Tag, wieder in die europäische Supermarkt-Gemeinschaft aufgenommen. Lassen Sie mich an dieser Stelle, und ich sage das ganz bewusst, einmal innehalten und einem Menschen, einer Frau, einer Streiterin für die Sache der Natürlichkeit des Obstes und Gemüse danken, einer Kommissarin, nein unserer Kommissarin Frau Mariann Fischer Boel. Unsere verehrte EU-Landwirtschaftskommissarin hat für die Gurke und ihre Genossinnen und Genossen gekämpft, und um es mit der uns wohlgesonnenen Presse zu sagen, ja geboxt für die Freiheit, auch und besonders für den verhunzten Kohl oder die fleckige Pflaume. Und als ginge ein Ruck durch Europa, ich muss an dieser Stelle hinweisen, bitte verwechseln Sie das nicht mit dem Rock der durch Europa geht, obwohl wir uns jetzt diesem Lande zuwenden. Dieser EU-Ruck hat nun auch die deutsche untergeordnete Landwirtschaftsministerin Aigner dazu bewogen mit in den Boxkampf einzusteigen um die noch zehn wichtigsten Obst- und Gemüsesorten, die weiterhin im Korsett dieser menschenveracht.... * ähem * gemüseverachtenden Norm noch eingebunden sind, darunter auch der deutsche Apfel. Meine Damen und Herren ab Mittwoch hat die Cucumis sativus ihre Freiheit wieder, dies ist auch, und ich sage das ganz bewusst hier an dieser Stelle, ein entscheidender Punkt in Hinblick auf die Migration von Gemüse. Denn die Herkunft der Cucumis sativus ist wohl Indien. Die EU hat dazu ihren Migrationsbeitrag geleistet und den Zwang für diese Migrationsgruppe zum geraden Wuchs ab geschaffen. Damit kann diese Gurke ihrer ethnischen Tradition folgen und braucht sich ihrer Wurzeln nicht zu schämen. Keinen Raum für rechtes Gemüse, ist die europäische Devise.
Ich danke Ihnen.
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