Schuldkratie
Auszug aus
dem gleichnamigen Dokumentationsfilm, den Sie HIER
mit deutschen Untertitel sehen können.
G.Papadopoulos
(Diktator:
Ich erlaube
mir einen Vergleich mit den Ärzten, wir haben einen Patienten und
wir haben ihn in Gips gelegt.
Dominique
Strauss-Kahn (ehem. Generaldirektor des IWF):
Kämpft
nicht gegen den Arzt, manchmal gibt dir der Arzt Medikamente, die du
nicht magst, aber selbst wenn du sie nicht magst der Arzt ist da, um
dir zu helfen.
Wie schon
mal gesagt wurde, die Geschichte hat diese Unsitte, sich „als
Farce“ zu wiederholen. So kommen wir von einem
Diktator-Möchtegern-Arzt zum Oberarzt des Internationalen
Währungsfonds (IWF).
A.Papandreou
(Premierminister Griechenlands 1981-1990 / 1993 – 1996):
Jeder muss
sich dem Kampf anschließen und sich bewusst sein, dass entweder die
Nation ihre riesigen Schulden zerstört oder die Schulden die Nation
zerstören.
K.
Mitsotakis (Premierminister Griechenlands 1990 – 1993):
Die
Einkommenspolitik in diesem Jahr wird unglaublich streng sein. In
keiner Weise wird es Gehaltserhöhungen geben.
K. Simitis
(Ministerpräsident Griechenlands 1996 – 2004):
Wir haben
keinen Platz für Sozialleistungen oder Steuersenkungen.
K.
Karamanlis (Ministerpräsident Griechenlands 2004 – 2009):
Wir müssen
die öffentlichen Ausgaben reduzieren, wir müssen unser Haus
säubern. Und das kann nicht mit leeren Versprechungen erreicht
werden, indem Gelder und Privilegien in einer Zeit der Krise wie
diese verteilt werden.
G.
Papandreou (Premierminister Griechenlands):
Unser Land
befindet sich leider auf der Intensivstation. Die wirtschaftliche
Stagnation der Nation bedroht unsere Souveränität zum ersten Mal
seit 1974.
In den
letzten 40 Jahren haben zwei Parteien, drei politische Familien und
einige Wirtschaftsbosse, Griechenland in den Bankrott getrieben. Sie
haben aufgehört, die Bevölkerung zu bezahlen, um ihre Gläubiger zu
retten. Die Wirtschaftszaren – nach Jahrzehnten kontinuierlicher
Haushaltskürzungen – zeichneten Griechenland als lokale
finanzielle Supermacht.
G.
Papantoniou (früherer Finanzminister):
Unsere
Arbeit ist einzigartig. Wir waren die ersten, die die
wirtschaftlichen Probleme gelöst haben.
N.
Christodoulakis (Finanzminister 2001 – 2004):
Wieder
einmal werden wir beweisen, dass unsere Wirtschaft das wertvollste
Gut unseres Landes ist.
Y.
Papantoniou (Finanzminister 1994 – 2001):
Unsere
Wirtschaft hat einen Sprung nach vorne gemacht und ist von der
zweiten in die erste Liga gesprungen.
Als ihr
Gebäude zusammenbrach, sagten die gleichen Leute hinter unserem
Rücken, dass aufgrund einer genetischen Störung, wir nicht in
der Lage waren, unsere Wirtschaft ohne Intervention von außen zu
verwalten.
Y.
Papantoniou (Finanzminister 1994 – 2001):
Amerikaner
finden es vielleicht schwierig zu verstehen, aber Griechenland hat
kein Geschick und Kultur der Festigkeit und Disziplin.
Unsere
Regierung nennt uns faule Säcke, und unsere Kreditgeber „Schweine“
(PIIGS) – das gilt für alle Länder der europäischen Peripherie.
Und die Minister in allen diesen Ländern versuchen, uns zu
überzeugen dass wir alle die Schuld tragen.
Brian
Lenihan (Finanzminister Irland 2008 – 2011):
Ich bin
damit einverstanden, dass unser politisches System gescheitert ist
aber seien wir fair, wir tragen alle die Schuld.
Theodoros
Pangalos (Vizepräsident der griechischen Regierung):
Die Antwort
auf die Beschwerde der Bürger gegenüber den Politikern „Was habt
ihr mit dem Geld gemacht?“ ist: „Wir haben euch zu Beamten
gemacht!“ Wir alle tragen die Schuld!
Wir sind
also die bösen Buben einer globalen regularisierten Wirtschaft in
einem erfolgreichen Europa? Oder weist das System bereits
strukturelle Probleme seit beginn auf?
In der
kapitalistischen Wirtschaft in der Nachkriegszeit gibt es zwei
Perioden.
Kostas
Lapavitsas (Prof. für Volkswirtschaftslehre):
In den
ersten 25 Jahren nach dem II. Weltkrieg war das Wachstum hoch, stieg
das reale Einkommen, wie auch die Konsumgüter. Das waren neue
Umstände in der Geschichte des Kapitalismus. Dieser Zeitraum endete
Mitte der siebziger Jahre. Danach kamen wir in einen Zeitraum kaum
Lohnerhöhungen für die Arbeiter und hoher Arbeitslosigkeit. Für
reife kapitalistische Länder war es schwierig, Reichtümer
anzuhäufen.
(US
Werbe/Propagandafilm: Joe ist der König, weil er mehr mit seinem
Gehalt kaufen kann als alle anderen Arbeiter auf dem Planeten)
David
Harvey (Sozialwissenschaftler):
Es gibt
nicht so etwas wie einen Kapitalismus ohne Krise. Also, irgendwo muss
es eine Krise geben. Diese Krise war vor allem auf die Arbeitermacht
gerichtet, die sehr stark zu jener Zeit, in kapitalistischen Regionen
wie Europa und den USA. Das Ergebnis: es wurde viel Druck auf die
Löhne ausgeübt. Die Arbeiter waren organisiert, hatten
politische Macht das zeigte sich in den Wahlen. Und das war ein
großes Problem für das Kapital. So musste das Kapital die Arbeiter
„disziplinieren“. Und es tat es auf unterschiedliche Weise.
Es öffnete nationale Märkte für den globalen Wettbewerb. Das
Kapital erhielt Zugang zu den globalen Arbeitskräftereservoirs. Und
dann kam China auf die Bühne.
Kostas
Lapavitsas (Prof. für Volkswirtschaftslehre):
Dieser
Zeitraum war durch ein starkes Wachstum im Finanzsystem
gekennzeichnet die „Finanzialisierung“ genannt wurde. Die
Finanzialisierung brachte und verschärfte die Krise.
David
Harvey (Sozialwissenschaftler):
Das Kapital
hatte absolute Bewegungsfreiheit, mit Zugriff auf billige
Arbeitskräfte. Aber dann kam das Problem auf, dass die
Lohnquoten des Volkseinkommens in allen Orten fielen. Und natürlich,
Löhne sind ein großer Teil des Marktes. Dann kam das Problem
auf, wie es möglich ist, Güter verkaufen, wenn es keine Kaufkraft
gibt. Und die Antwort war: Kredite für alle. Und so kam die
Kreditwirtschaft ins Leben, die ihre Blütezeit in den 80ern und
90ern erlebte, um die Lücke zwischen den Realeinkommen und der
Kaufkraft zu füllen. Viele Menschen begannen, in den späten
90ern – Anfang 2000, zu sehen, dass dieses System nicht aufrecht zu
erhalten sei. Die Art und Weise , wie wir aus der Krise der
70er rauskamen ebnete also den Weg für die derzeitige Krise.
Als die
Immobilienblase in den USA platzte, befand sich das Finanzsystem kurz
vor dem Kollaps. Als Ergebnis sah sich die Realwirtschaft betroffen,
die ihre eigenen strukturellen Probleme hatte. Die Staaten ergreifen
Rettungsmaßnahmen. Sie verwenden das Geld der Steuerzahler, um
Banken zu retten und die Nachfrage wieder herzustellen. Die
Finanzkrise wird so zu einer Haushaltskrise. Und dieselben
Banken, die von den Steuerzahlern gerettet wurden, beschlossen, die
Hand zu beißen, die sie gefüttert hatte, und mit dem Bankrott des
Staates zu spekulieren. Um die Spekulation macht alles schlimmer,
auch in Griechenland. Nur, dass dieses Mal das Problem sogar noch
tiefer greift. Für die Eurozone ist die Zeit gekommen, zu zahlen.
Der König Euro zeigt sich nackt, vor allem, weil er ein König ohne
Staat ist.
Samir Amin
(Economist):
Es kann
keine Währung ohne Staat geben. Trotz seiner Schwächen, der
Vorteil des US-Dollar ist,unter anderem, dass es einen Staat gibt,
genannt die Vereinigten Staaten. Europa existiert als politische
Einheit nicht. Es gibt in Europa keine legitime politische macht, die
ihre Staaten vereint. Meiner Meinung nach ist die Euro-Zone nicht
lebensfähig.
Im
Gegensatz zu den USA, wo die Regierung und das Federal Reserve System
eingreifen, um Ungleichheiten zwischen den Staaten zu verringern,
verschärft die Eurozone die Ungleichheiten. So wurden die armen
Verwandten geschaffen – die „Schweine“ (PIIGS) der EU.
Kostas
Lapavitsas (Prof. für Volkswirtschaftslehre):
Die
Eurozone ist ganz klar in zentrale und periphere Länder aufgestellt.
Die Krise ist ernster in den peripheren Staaten. Die Gewinner des
Euros sind die zentralen Staaten insbesondere Deutschland. Die
Wettbewerbsfähigkeit der EU-Staaten hat sich sehr ausdifferenziert,
und die peripheren Länder haben systematisch ihre
Wettbewerbsfähigkeit verloren. Dies ist direkt auf den Euro
zurückzuführen.
Eric
Toussaint (Präsident des Komitees für die Abschaffung der Schulden
der Dritten Welt / CATDM, Belgien):
Die Krise
in der EU ist das Ergebnis der Art und Weise, wie die europäische
Integration durchgeführt wurde. Mit Griechenland ist es wie wenn man
Muhammad Ali, den Welt- Schwergewichts-Champion, mit einem
Federgewichtsboxer in den Ring steckt und den beiden sagt: „Kommt,
kämpft und mal sehen, wer gewinnt.“
Aber warum
sind die peripheren Länder nicht wettbewerbsfähig? Vor allem:
welche sind die Ursachen dieser steigenden Divergenz? Der Mythos der
„faulen Peripherie“ und des „arbeitsamen Deutschland“ mit
ihrer „hohen Produktivität“ ist entkräftet. Wenn die
deutschen Regierungen etwas erreicht haben, ist es, dass sie den
Krieg an ihre eigenen Arbeitnehmer erklärt und ihre Löhne für ein
Jahrzehnt eingefroren haben.
Sahra
Wagenknecht (Die Linke):
Wir haben
in den letzten Jahren Lohnstückkostensteigerungen in nominalen
Größen im Umfang von 7% gehabt, im Euroraum waren es 27%. Und wenn
man so eine Diskrepanz hat ist ja völlig klar, dass andere Länder
Niederkonkuriert werden, weil wenn ein Land quasi die realen Löhne
sogar sinken wie in Deutschland heute, niedriger als zur
Jahrtausendwende und in anderen Ländern immerhin moderate
Lohnsteigerungen sind, dann wird natürlich die deutsche Industrie
immer wettbewerbsfähiger und andere Industrie haben überhaupt keine
Chance. Und durch den Euroraum ist eben ein Mittel ausgeschaltet was
früher gab, nämlich die Abwertung der nationalen Währung und damit
war im Grunde ein Mechanismus installiert der genau zu diesen
Ergebnissen führen musste wie wir sie jetzt haben.
Kostas
Lapavitsas (Prof. für Volkswirtschaftslehre):
Der Verlust
der Wettbewerbsfähigkeit manifestierte sich auf zwei Arten, die eine
entscheidende Rolle für die Krise gespielt haben. Erstens: Es gab
große Defizite in den laufenden Transaktionen. Und Griechenland
hatte das größte Defizit von allen. Wenn man nicht mithalten kann
sind die Transaktionen mit dem Rest der Welt in einem Defizit. Und
das Defizit Griechenlands ist enorm. Aber das ist auch der Fall
für andere Länder der europäischen Peripherie. Dieses Phänomen
ging Hand in Hand mit der Anhäufung von Schulden. Wenn man diese
Defizite hat, muss man sie irgendwie ausgleichen.
Samir Amin
(Economist):
Griechenland
ist der arme Verwandte der Europäischen Union. Griechenland gehört
zu den semiperipheren Ländern des europäischen Kontinents. Es
ist ganz klar, dass Griechenlands Defizit nur größer werden konnte
unter den Umständen der Europäischen Integration. Ich würde
nicht einmal dem Gerücht nachgehen, die Griechen seien faul. Das ist
purer Rassismus.
Die
Eurozone zerstört das Immunsystem der peripheren Länder der EU und
überlässt sie der globalen Krise. Die Achillesferse dieser Länder
ist das Defizit und die Verschuldung. In unserem Fall tief in der
Geschichte des griechischen Staates verwurzelt.
Manolis
Glezos (historische Figur der griechischen Linken):
Ab der Zeit
des Unabhängigkeitskrieges von 1821, begann unser Land Kredite
aufzunehmen. Und seitdem ist es Kreditnehmer. Mit einer Ausnahme. In
einer unglaublich „glücklichen“ Phase – und das meine ich
ironisch – gelang es Griechenland, Kreditgeber zu sein. Während
der deutschen Besatzung, Griechenland gab den deutschen Darlehen. Die
Deutschen zwangen Griechenland, Kreditgeber zu sein anstatt
Kreditnehmer.
Nach der
deutschen Besetzung nahm das Land wieder seine traditionelle Rolle
als Kreditnehmer auf. Und die Staatsverschuldung, wie wir sie heute
kennen, begann in den 80er Jahren stark zu steigen.
Kostas
Lapavitsas (Prof. für Volkswirtschaftslehre):
Die hohe
Verschuldung Griechenlands hat mit der sozialen und mit der
Klassenstruktur in Griechenland zu tun, und mit der Form, die die
griechische Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten angenommen hat. Es
hat mit der systematischen Unfähigkeit des griechischen Staates zu
tun, ein effektives und faires Steuersystem zu implementieren.
Geschichte
der griechischen Staatsverschuldung:
Andreas
Papandreou erschafft den geforderten Wohlfahrtstaat, aber ohne die
Gehalts- und Unternehmenssteuern zu erhöhen. Durch die
Verstaatlichung privater Unternehmen mit Defiziten rettet er
Arbeitsplätze. Aber hauptsächlich rettet er die Besitzer der
Unternehmen. Das nationale Defizit stieg dramatisch mit der
Staatsverschuldung. Die Regierung Mitsotakis nahm weiterhin Darlehen
auf. Der Vertrag von Maastricht legte fest, die Märkte sollten der
einzige Kontrollmechanismus des Defizits sein, und verbot jegliche
Geldschöpfung. Die Schulden schossen in die Höhe mit einer
Zuwachsrate, die in der griechischen Geschichte einmalig ist. Kostas
Simitis hatte mehr Glück. Auf seiner Seite standen die „kreative
Buchführung“, der Rückgang der Zinsen in Europa, und der
Wirtschaftswachstum. Auf diese Weise konnte er die Bombe
verstecken, die er selber auf die öffentlichen Schulden gelegt
hatte. Die Schuldenquote schien leicht zurückzugehen. Kostas
Karamanlis senkte die Kapitalsteuern um 10%. Maßnahmen wie diese
beschleunigen den wirtschaftlichen Freifall. Und die Verschuldung
nahm wieder rasant zu. Georgios Papandreou übernimmt die Steuer um
das Land in die Hände der Kreditgeber zu treiben. Am Ende des
„Memorandums“ werden die Schulden 167% des Bruttosozialprodukts
betragen.
Ende
Die meisten
Länder in ähnlicher Situation wurden vom Internationalen
Währungsfond besucht. Aber niemand hat so teuer bezahlt wie
Argentinien, das Spiegelbild Griechenlands auf der anderen Seite des
Atlantiks. Argentinien geriet in die Schuldenfalle zusammen mit
Griechenland im Jahr 1824 mit dem ersten britischen Darlehen. Aber
die Schlinge zieht sich gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts zu.
Argentinien beschloss einen festen Wechselkurs des Peso gegenüber
dem Dollar. Das machte es unmöglich, eine eigenständige Geldpolitik
auszuüben. Argentinien erlebt seine eigene Eurozone. Nur dass es
sich, anstatt an Berlin, an Washington richtet.
Camdessus
(IWF Direktor 1987 – 2000):
(Argentinien)
betritt das neue Jahrhundert mit einer sehr soliden Basis.
Zur
gleichen Zeit machte der IWF das Land zu einem neuen experimentellen
Labor des Neoliberalismus.
Texte des
Dokumentarfilms „Die Besetzung“:
Avi Lewis
(Filmemacher / Journalist):
Der IWF
spielte eine Schlüsselrolle in der Schaffung der Krise in
Argentinien. Er zwang die gleiche Destabilisierungs- und
Privatisierungspolitik auf, die die Gewinne der Unternehmen steigen
lassen, aber die eigentlich die Wirtschaft des Landes vernichten.
Gérard
Duménil (Ökonom):
Der IWF
vertritt eindeutig die Interessen der USA in der Welt, so wie er auch
klar ein Vertreter des Neoliberalismus ist, was bedeutet, dass er
die Oberschicht in dem neoliberalen Unternehmen vertritt. Sein Ziel
war es, deren Einnahmen zu erhöhen, das hat zu der gegenwärtigen
Krise geführt.
Nach dem
wirtschaftlichen Zusammenbruch in Argentinien im Jahr 2001 wurden der
IWF und seiner neoliberalen Theorien zum Gespött der Ökonomen auf
der ganzen Welt. Dennoch: einige Monster sterben nie.
Avi Lewis
(Filmemacher / Journalist):
Der IWF ist
wie ein Zombie, du kannst ihn nicht töten. Der IWF ist
„auferstanden“ und „rettet“ Länder die Probleme haben, um
seine Sparmaßnahmen aufzuerlegen, wie es in ganz Europa passiert und
auf ganz infame und schreckliche Weise in Griechenland. Und es
gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Institution irgendetwas von
der Erfahrung Argentiniens gelernt hat.
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