Montag, 6. Februar 2012

„Aus den letzten 100 Jahren ist kein einziges Beispiel bekannt, dass in dieser Region unsere Flagge angezündet worden wäre, aber in Syrien ist es jetzt geschehen.“ (Mohammad Shariati, Berater für arabische Fragen des früheren iranischen Präsidenten, Khatami)

von Mohammad Ataie محمد عطایی

Übersetzt von Hamid Beheschti



Wenn Sie iranische Diplomaten in Damaskus fragen, bekommen Sie die Antwort, dass der frühere syrische Präsident, Hafiz al-Assad, seinem Sohn Baschar in seinem Vermächtnis geraten hat, man könne immer auf Iraner zählen, jedoch man solle nie auf arabische Führer vertrauen. Ob wahr oder falsch, Teherans gegenwärtige starke Unterstützung Baschar al-Assads beweist das einzigartige Wesen der Beziehung zwischen Teheran und Damaskus. Mit dem Scheitern der Initiative der Arabischen Liga zur Beendigung des Blutvergießens in Syrien und des harten Durchgreifens des Militärs und der grausamen sektiererischen Gewalt in Homs steigt der Druck auf Syrien vonseiten der Araber und der internationalen Gemeinschaft. Währenddessen versucht der Iran mit aller Kraft, seinen Verbündeten vor externer Intervention und den Wellen des arabischen Frühlings zu schützen. Tatsächlich steht das Bündnis, das seit der iranischen Revolution 1979 viele Spannungen in seinen bilateralen Beziehungen und permanenten Druck von außen überlebt hat, im Zuge des arabischen Frühlings vor einer neuen schweren Prüfung. Doch dieses Mal steht die Achse Iran-Syrien vor einer anderen Art von Herausforderung: im Gegensatz zum internationalen und regionalen Druck von früher kommt die Herausforderung hauptsächlich aus Syrien selbst.

Bislang hat die Islamische Republik Syrien beigestanden. Die iranischen Führer behaupten, dass Syrien Opfer einer internationalen Intrige sei und dass Baschar al-Assad entschlossen sei, weitgehende Reformen durchzuführen. Sogar der iranische Führer Ayatollah Ali Khamenei, zur Überraschung vieler Beobachter, bezog offen Stellung gegen die Anti-Regime-Demonstrationen, indem er sie als US-zionistische Verschwörung bezeichnete. Diese offene Unterstützung der syrischen Regierung in Verbindung mit wirtschaftlicher und militärischer Hilfe zeigt die tiefe Sorge des Teheraner Regimes um das Schicksal seines wichtigsten regionalen Verbündeten.
Aber innerhalb Irans sind die Stellungnahmen gegenüber der Unterdrückung von Protesten in Syrien sehr kontrovers. Die Hardliner in der Regierung haben keine Mühen gescheut, Damaskus zu unterstützen und den ausländischen Druck auf Assad an allen diplomatischen und finanziellen Fronten zu bekämpfen, während der reformorientierte Flügel die Repression in Syrien und Irans bedingungslose Unterstützung Assads kritisiert hat. Die Reformer sind der Meinung, dass Iran seine Vorgehensweise mäßigen und Baschar al-Assad unter Druck setzen solle, um das Militär von den Straßen abzuziehen und wirksame Reformen durchzuführen. Reformorientierte Diplomaten, die nach dem Wahlsieg Ahmadinejads 2005 marginalisiert wurden, machten seine Regierung verantwortlich für ihr Unvermögen, Baschar al-Assad dazu zu bewegen, die Unterdrückung der Demonstranten zu beenden. Kürzlich hatte der ehemalige stellvertretende iranische Außenminister, Mohammad Sadr, Ahmadinejads Regierung für ihr Versagen verantwortlich gemacht, nicht den regionalen Einfluss des Landes genutzt zu haben, um in Koordination mit der Türkei und internationalen Institutionen eine regionale Lösung für Syrien zu finden. Sadr meinte: „Hätte die gegenwärtige iranische Regierung eine bessere Position in der Welt, wäre sie in der Lage gewesen, die syrische Opposition für die Vermittlung einer friedlichen Lösung der Krise zu gewinnen.“

Eine ähnliche Kritik übte Mohammad Shariati, der Berater für arabische Fragen des früheren iranischen Präsidenten, Khatami. Er hat in den vergangenen Monaten eine Reihe von Artikeln über Syrien auf der Webseite Diplomacy-e-irani veröffentlicht, die Meinungen von reformistischen Diplomaten und Experten über die iranische Außenpolitik reflektiert. Seit den ersten Tagen des Aufstands in Daraa hat er das gewaltsame Vorgehen der syrischen Militärs scharf kritisiert. Shariati meint, „dass die Islamische Republik die syrische Bevölkerung unterstützen müsste, und nicht einen politischen Führer.“ Während er die Behauptungen über den Einsatz iranischer Truppen zur Tötung syrischer Demonstranten zurückweist, machte er die Unterstützung der iranischen Politik und Medien für Assad verantwortlich für die Gerüchte über eine iranische Beteiligung in Syrien. Genauso hat ein iranischer Parlamentarier, der im vergangenen August Syrien besucht hat, in einem Interview mit Diplomacy-e-irani seine Besorgnis über anti-iranische und anti-schiitische Slogans in bestimmten Regionen Syriens geäußert: „Aus den letzten 100 Jahren ist kein einziges Beispiel bekannt, dass in dieser Region unsere Flagge angezündet worden wäre, aber in Syrien ist es jetzt geschehen.“

In Iran gibt es eine breite Solidarität mit dem arabischen Aufstand und im Hinblick auf Syrien verhält es nicht anders. Für Viele erinnert die Gewalt in Syrien an die Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften nach der iranischen Präsidentschaftswahl 2009. Des Weiteren hat die Unterstützung der islamischen Republik für das Baath-Regime den Fall Syrien zu einem Streitpunkt zwischen der Regierung und der Opposition über die Ursachen des syrischen Aufstands gemacht. Die iranische Regierung und die regierungstreuen Medien behaupten, die Unruhen in Syrien seien lediglich ein ausländisches Komplott, während viele Oppositionelle auf das despotische Wesen des Baath-Regimes und den Wunsch der Syrer nach der Durchsetzung von Bürgerrechten verweisen. Einige iranische Oppositionelle gehen sogar so weit zu behaupten, der Fall Baschir Assads wäre auch günstig für den Iran, weil er die grüne Oppositionsbewegung ermutigen und die islamische Republik schwächen würde.

Vor diesem Hintergrund hat sich der offizielle Ton Teherans im Hinblick auf den achtmonatigen Aufstand in Syrien verändert. Seit August bemühen sich iranische Regierungsvertreter spürbar darum, den Entwicklungen in Syrien gegenüber eine unparteiische Haltung zu demonstrieren. Ahmadinejads Äußerungen zu Syrien in seinem Interview mit CNN im vergangenen Monat waren ein klares Signal dieser Kursänderung. In dem Interview hat er zum zweiten Mal in drei Monaten die Gewaltanwendung sowohl des syrischen Regimes wie auch der Opposition verurteilt und die Anerkennung der syrischen Opposition durch die islamische Republik bestätigt. Er sagte CNN, Teheran werde versuchen, „sich für ein Verständnis zwischen der syrischen Regierung und der Gegenseite einzusetzen.“ Davor (Ende August) hatte Ahmadinejad in einem anderen Interview mit Al-Manar, dem Fernsehsender der libanesischen Hisbollah, gefordert, die syrische Regierung und die Opposition sollen verhandeln und Gewalt vermeiden. Ähnliche Äußerungen hatte auch der iranische Außenminister, Ali Akbar Salehi, gemacht und Baschar al-Assad ermutigt, auf die Forderungen der Demonstranten einzugehen, Forderungen, die er als legitim bezeichnete. In einer klareren Stellungnahme hat ein parlamentarisches Mitglied des Ausschusses für nationale Sicherheit und Außenpolitik gesagt: „Die bedingungslose Unterstützung der syrischen Regierung ist ein Fehler.“ Es scheint nicht, dass solche Äußerungen eine wesentliche Veränderung der Islamischen Republik mit ihrem Verbündeten reflektieren, denn der iranische Außenminister Salehi wiederholte beispielsweise kürzlich den Wunsch Teherans, Baschar al-Assad möge Reformen durchführen. Trotzdem besteht keinen Zweifel darin, dass Teheran mit zunehmender Besorgnis die gewaltsamen Entwicklungen in Syrien verfolgt.

Diese Besorgnis ist in den Bedrohungen begründet, die das syrische Blutvergießen für die strategischen Interessen der Islamischen Republik in der Region darstellen. Schon mit den ersten regierungsfeindlichen Demonstrationen in Tunesien hat die Islamische Republik enthusiastisch die arabischen Aufstände und Revolutionen unterstützt. Als Ägypten an der Reihe kam, war es glasklar, dass die Islamische Republik, vor die Wahl zwischen dem Regime und dem Volk gestellt, sich auf die Seite des Volkes stellte. In den Tagen vor der ägyptischen Revolution hat der Führer der Islamischen Republik im Freitagsgebet Mubarak scharf angegriffen und die Ägypter aufgefordert, die iranische Revolution als ihr Vorbild zu nehmen und Mubarak, den er als einen Diener Israels bezeichnete, zu stürzen.

Doch als der arabische Frühling schließlich Syrien erreichte, schwand die ‚revolutionäre Position’ schnell dahin. Die pro-revolutionäre Haltung der Islamischen Republik verwandelte sich mit der anhaltenden Unterstützung der syrischen Regierung in eine anti-revolutionäre. Teheran rechtfertigte seine Position zunächst mit einem Verweis auf Baschar al-Assads Beliebtheit und Reformwillen. Die zunehmende Gewaltanwendung staatlicher Kräfte gegen Demonstranten in Syrien jedoch erschwerte die Rechtfertigung iranischer Unterstützung für Assad in der arabischen Öffentlichkeit. Das ist für die Islamische Republik ein Grund zur Besorgnis, sie wetteifert mit den regierenden Islamisten in der Türkei um den Einfluss im Nahen Osten und möchte ein Vorbild für arabische Revolutionäre sein.

Auf einer anderen Ebene verleiht die Entstehung von religiös motivierten Spannungen in Syrien der regionalen Konkurrenz zwischen dem Iran und Saudi-Arabien, die sich als Vertreter der größten islamischen Glaubensrichtungen Schia und Sunna sehen, eine andere Dimension. In den vergangenen Monaten gab es Berichte über gewaltsame Zusammenstöße zwischen extremistischen Sunniten und Aleviten, einem schiitischen Zweig. Diese Auseinandersetzungen haben den Graben in dem Kampf zwischen Schiiten und Sunniten in der Region von Bahrain bis Libanon vertieft.

Während die schiitischen Kleriker dazu schwiegen, haben prominente sunnitische Geistliche, wie Jusuf al-Qardawi und die Hochschulprofessoren der Universität Al-Azhar die Brutalität, mit der gegen syrische Demonstranten vorgegangen wurde, in öffentlichen Erklärungen verurteilt. Die symbolische Spaltung zwischen den religiösen Führern hat die religiöse Dimension der Rivalität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien in den Vordergrund gerückt. Jede Macht hat in dem Kampf offen ihre Sympathie für die Gegenseite ausgedrückt. Die Saudis haben die sunnitische Mehrheit der Demonstranten und der Iran das alevitische Regime unterstützt.

Seit der Revolution 1979 hat die Islamische Republik eifrig versucht, ihr Image als schiitische Entität abzuwerfen und sich mit einem überkonfessionellen Diskurs als Förderer aller Muslime der Welt zu positionieren. Hierfür hat sich Iran als die erste Adresse bei der Unterstützung schiitischer, wie sunnitischer Bewegungen dargestellt. Im Gegensatz dazu haben die regionalen Rivalen Irans, wie Saudi-Arabien und Saddam Husseins Irak, in den letzten 30 Jahren durch die Betonung des schiitisch-persischen Charakters des Iran versucht, seinen regionalen Einfluss zu untergraben. Teherans Unterstützung von Assad und das Ignorieren der Gewaltanwendung syrischer Sicherheitskräfte trägt zu diesem sektiererischen Bild, das die Islamische Republik zu beseitigen versuchte, bei. Sie spielt auch in die Hände saudischer Propaganda, die danach trachtet, Irans regionale Ziele als anti-sunnitisch darzustellen. „Die bedingungslose Unterstützung des syrischen Regimes“, wie ein iranischer Parlamentarier es formuliert hat, schadet seinem Ziel, einen universalistischen Diskurs in der arabischen und islamischen Welt zu entwickeln. Iran kann bis zuletzt seine unbedingte Unterstützungspolitik für Baschar al-Assad verfolgen; sein großes strategisches Ziel, nämlich die Führung des Widerstands in der Region zu übernehmen, gerät dabei in Gefahr.


Danke:Tlaxcala
Quelle: http://mideast.foreignpolicy.com/posts/2011/11/09/iran_supports_assad_but_not_at_any_cost
Erscheinungsdatum des Originalartikels: 09/11/2011
Artikel in Tlaxcala veröffentlicht: http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=6760


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