von Mohammad
Ataie محمد
عطایی
Wenn
Sie iranische Diplomaten in Damaskus fragen, bekommen Sie die
Antwort, dass der frühere syrische Präsident, Hafiz al-Assad,
seinem Sohn Baschar in seinem Vermächtnis geraten hat, man könne
immer auf Iraner zählen, jedoch man solle nie auf arabische Führer
vertrauen. Ob wahr oder falsch, Teherans gegenwärtige starke
Unterstützung Baschar al-Assads beweist das einzigartige Wesen der
Beziehung zwischen Teheran und Damaskus. Mit dem Scheitern der
Initiative der Arabischen Liga zur Beendigung des Blutvergießens in
Syrien und des harten Durchgreifens des Militärs und der grausamen
sektiererischen Gewalt in Homs steigt der Druck auf Syrien vonseiten
der Araber und der internationalen Gemeinschaft. Währenddessen
versucht der Iran mit aller Kraft, seinen Verbündeten vor externer
Intervention und den Wellen des arabischen Frühlings zu schützen.
Tatsächlich steht das Bündnis, das seit der iranischen Revolution
1979 viele Spannungen in seinen bilateralen Beziehungen und
permanenten Druck von außen überlebt hat, im Zuge des arabischen
Frühlings vor einer neuen schweren Prüfung. Doch dieses Mal steht
die Achse Iran-Syrien vor einer anderen Art von Herausforderung: im
Gegensatz zum internationalen und regionalen Druck von früher kommt
die Herausforderung hauptsächlich aus Syrien selbst.
Bislang
hat die Islamische Republik Syrien beigestanden. Die iranischen
Führer behaupten, dass Syrien Opfer einer internationalen Intrige
sei und dass Baschar al-Assad entschlossen sei, weitgehende Reformen
durchzuführen. Sogar der iranische Führer Ayatollah Ali Khamenei,
zur Überraschung vieler Beobachter, bezog offen Stellung gegen die
Anti-Regime-Demonstrationen, indem er sie als US-zionistische
Verschwörung bezeichnete. Diese offene Unterstützung der syrischen
Regierung in Verbindung mit wirtschaftlicher und militärischer Hilfe
zeigt die tiefe Sorge des Teheraner Regimes um das Schicksal seines
wichtigsten regionalen Verbündeten.
Aber
innerhalb Irans sind die Stellungnahmen gegenüber der Unterdrückung
von Protesten in Syrien sehr kontrovers. Die Hardliner in der
Regierung haben keine Mühen gescheut, Damaskus zu unterstützen und
den ausländischen Druck auf Assad an allen diplomatischen und
finanziellen Fronten zu bekämpfen, während der reformorientierte
Flügel die Repression in Syrien und Irans bedingungslose
Unterstützung Assads kritisiert hat. Die Reformer sind der Meinung,
dass Iran seine Vorgehensweise mäßigen und Baschar al-Assad unter
Druck setzen solle, um das Militär von den Straßen abzuziehen und
wirksame Reformen durchzuführen. Reformorientierte Diplomaten, die
nach dem Wahlsieg Ahmadinejads 2005 marginalisiert wurden, machten
seine Regierung verantwortlich für ihr Unvermögen, Baschar al-Assad
dazu zu bewegen, die Unterdrückung der Demonstranten zu beenden.
Kürzlich hatte der ehemalige stellvertretende iranische
Außenminister, Mohammad Sadr, Ahmadinejads Regierung für ihr
Versagen verantwortlich gemacht, nicht den regionalen Einfluss des
Landes genutzt zu haben, um in Koordination mit der Türkei und
internationalen Institutionen eine regionale Lösung für Syrien zu
finden. Sadr meinte: „Hätte die gegenwärtige iranische Regierung
eine bessere Position in der Welt, wäre sie in der Lage gewesen, die
syrische Opposition für die Vermittlung einer friedlichen Lösung
der Krise zu gewinnen.“
Eine
ähnliche Kritik übte Mohammad Shariati, der Berater für arabische
Fragen des früheren iranischen Präsidenten, Khatami. Er hat in den
vergangenen Monaten eine Reihe von Artikeln über Syrien auf der
Webseite Diplomacy-e-irani veröffentlicht, die Meinungen von
reformistischen Diplomaten und Experten über die iranische
Außenpolitik reflektiert. Seit den ersten Tagen des Aufstands in
Daraa hat er das gewaltsame Vorgehen der syrischen Militärs scharf
kritisiert. Shariati meint, „dass die Islamische Republik die
syrische Bevölkerung unterstützen müsste, und nicht einen
politischen Führer.“ Während er die Behauptungen über den
Einsatz iranischer Truppen zur Tötung syrischer Demonstranten
zurückweist, machte er die Unterstützung der iranischen Politik und
Medien für Assad verantwortlich für die Gerüchte über eine
iranische Beteiligung in Syrien. Genauso hat ein iranischer
Parlamentarier, der im vergangenen August Syrien besucht hat, in
einem Interview mit Diplomacy-e-irani seine Besorgnis über
anti-iranische und anti-schiitische Slogans in bestimmten Regionen
Syriens geäußert: „Aus den letzten 100 Jahren ist kein einziges
Beispiel bekannt, dass in dieser Region unsere Flagge angezündet
worden wäre, aber in Syrien ist es jetzt geschehen.“
In
Iran gibt es eine breite Solidarität mit dem arabischen Aufstand und
im Hinblick auf Syrien verhält es nicht anders. Für Viele erinnert
die Gewalt in Syrien an die Zusammenstöße zwischen Demonstranten
und Sicherheitskräften nach der iranischen Präsidentschaftswahl
2009. Des Weiteren hat die Unterstützung der islamischen Republik
für das Baath-Regime den Fall Syrien zu einem Streitpunkt zwischen
der Regierung und der Opposition über die Ursachen des syrischen
Aufstands gemacht. Die iranische Regierung und die regierungstreuen
Medien behaupten, die Unruhen in Syrien seien lediglich ein
ausländisches Komplott, während viele Oppositionelle auf das
despotische Wesen des Baath-Regimes und den Wunsch der Syrer nach der
Durchsetzung von Bürgerrechten verweisen. Einige iranische
Oppositionelle gehen sogar so weit zu behaupten, der Fall Baschir
Assads wäre auch günstig für den Iran, weil er die grüne
Oppositionsbewegung ermutigen und die islamische Republik schwächen
würde.
Vor
diesem Hintergrund hat sich der offizielle Ton Teherans im Hinblick
auf den achtmonatigen Aufstand in Syrien verändert. Seit August
bemühen sich iranische Regierungsvertreter spürbar darum, den
Entwicklungen in Syrien gegenüber eine unparteiische Haltung zu
demonstrieren. Ahmadinejads Äußerungen zu Syrien in seinem
Interview mit CNN im vergangenen Monat waren ein klares Signal dieser
Kursänderung. In dem Interview hat er zum zweiten Mal in drei
Monaten die Gewaltanwendung sowohl des syrischen Regimes wie auch der
Opposition verurteilt und die Anerkennung der syrischen Opposition
durch die islamische Republik bestätigt. Er sagte CNN, Teheran werde
versuchen, „sich für ein Verständnis zwischen der syrischen
Regierung und der Gegenseite einzusetzen.“ Davor (Ende August)
hatte Ahmadinejad in einem anderen Interview mit Al-Manar, dem
Fernsehsender der libanesischen Hisbollah, gefordert, die syrische
Regierung und die Opposition sollen verhandeln und Gewalt vermeiden.
Ähnliche Äußerungen hatte auch der iranische Außenminister, Ali
Akbar Salehi, gemacht und Baschar al-Assad ermutigt, auf die
Forderungen der Demonstranten einzugehen, Forderungen, die er als
legitim bezeichnete. In einer klareren Stellungnahme hat ein
parlamentarisches Mitglied des Ausschusses für nationale Sicherheit
und Außenpolitik gesagt: „Die bedingungslose Unterstützung der
syrischen Regierung ist ein Fehler.“ Es scheint nicht, dass solche
Äußerungen eine wesentliche Veränderung der Islamischen Republik
mit ihrem Verbündeten reflektieren, denn der iranische Außenminister
Salehi wiederholte beispielsweise kürzlich den Wunsch Teherans,
Baschar al-Assad möge Reformen durchführen. Trotzdem besteht keinen
Zweifel darin, dass Teheran mit zunehmender Besorgnis die gewaltsamen
Entwicklungen in Syrien verfolgt.
Diese
Besorgnis ist in den Bedrohungen begründet, die das syrische
Blutvergießen für die strategischen Interessen der Islamischen
Republik in der Region darstellen. Schon mit den ersten
regierungsfeindlichen Demonstrationen in Tunesien hat die Islamische
Republik enthusiastisch die arabischen Aufstände und Revolutionen
unterstützt. Als Ägypten an der Reihe kam, war es glasklar, dass
die Islamische Republik, vor die Wahl zwischen dem Regime und dem
Volk gestellt, sich auf die Seite des Volkes stellte. In den Tagen
vor der ägyptischen Revolution hat der Führer der Islamischen
Republik im Freitagsgebet Mubarak scharf angegriffen und die Ägypter
aufgefordert, die iranische Revolution als ihr Vorbild zu nehmen und
Mubarak, den er als einen Diener Israels bezeichnete, zu stürzen.
Doch
als der arabische Frühling schließlich Syrien erreichte, schwand
die ‚revolutionäre Position’ schnell dahin. Die
pro-revolutionäre Haltung der Islamischen Republik verwandelte sich
mit der anhaltenden Unterstützung der syrischen Regierung in eine
anti-revolutionäre. Teheran rechtfertigte seine Position zunächst
mit einem Verweis auf Baschar al-Assads Beliebtheit und Reformwillen.
Die zunehmende Gewaltanwendung staatlicher Kräfte gegen
Demonstranten in Syrien jedoch erschwerte die Rechtfertigung
iranischer Unterstützung für Assad in der arabischen
Öffentlichkeit. Das ist für die Islamische Republik ein Grund zur
Besorgnis, sie wetteifert mit den regierenden Islamisten in der
Türkei um den Einfluss im Nahen Osten und möchte ein Vorbild für
arabische Revolutionäre sein.
Auf
einer anderen Ebene verleiht die Entstehung von religiös motivierten
Spannungen in Syrien der regionalen Konkurrenz zwischen dem Iran und
Saudi-Arabien, die sich als Vertreter der größten islamischen
Glaubensrichtungen Schia und Sunna sehen, eine andere Dimension. In
den vergangenen Monaten gab es Berichte über gewaltsame
Zusammenstöße zwischen extremistischen Sunniten und Aleviten, einem
schiitischen Zweig. Diese Auseinandersetzungen haben den Graben in
dem Kampf zwischen Schiiten und Sunniten in der Region von Bahrain
bis Libanon vertieft.
Während
die schiitischen Kleriker dazu schwiegen, haben prominente
sunnitische Geistliche, wie Jusuf al-Qardawi und die
Hochschulprofessoren der Universität Al-Azhar die Brutalität, mit
der gegen syrische Demonstranten vorgegangen wurde, in öffentlichen
Erklärungen verurteilt. Die symbolische Spaltung zwischen den
religiösen Führern hat die religiöse Dimension der Rivalität
zwischen dem Iran und Saudi-Arabien in den Vordergrund gerückt. Jede
Macht hat in dem Kampf offen ihre Sympathie für die Gegenseite
ausgedrückt. Die Saudis haben die sunnitische Mehrheit der
Demonstranten und der Iran das alevitische Regime unterstützt.
Seit
der Revolution 1979 hat die Islamische Republik eifrig versucht, ihr
Image als schiitische Entität abzuwerfen und sich mit einem
überkonfessionellen Diskurs als Förderer aller Muslime der Welt zu
positionieren. Hierfür hat sich Iran als die erste Adresse bei der
Unterstützung schiitischer, wie sunnitischer Bewegungen dargestellt.
Im Gegensatz dazu haben die regionalen Rivalen Irans, wie
Saudi-Arabien und Saddam Husseins Irak, in den letzten 30 Jahren
durch die Betonung des schiitisch-persischen Charakters des Iran
versucht, seinen regionalen Einfluss zu untergraben. Teherans
Unterstützung von Assad und das Ignorieren der Gewaltanwendung
syrischer Sicherheitskräfte trägt zu diesem sektiererischen Bild,
das die Islamische Republik zu beseitigen versuchte, bei. Sie spielt
auch in die Hände saudischer Propaganda, die danach trachtet, Irans
regionale Ziele als anti-sunnitisch darzustellen. „Die
bedingungslose Unterstützung des syrischen Regimes“, wie ein
iranischer Parlamentarier es formuliert hat, schadet seinem Ziel,
einen universalistischen Diskurs in der arabischen und islamischen
Welt zu entwickeln. Iran kann bis zuletzt seine unbedingte
Unterstützungspolitik für Baschar al-Assad verfolgen; sein großes
strategisches Ziel, nämlich die Führung des Widerstands in der
Region zu übernehmen, gerät dabei in Gefahr.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen