Donnerstag, 10. November 2011

Die Schmutzigkeit der Spekulanten – das Wetten mit Nahrungsmittel


Andre Gaufer (Vorstand PROfinance-direkt)
Sie müssen sich vorstellen das tatsächlich eben Finanzprodukte auf den Markt gebracht sind die ganz gezielt mit Grundnahrungsmittel spekulieren und auf der anderen Seite, das wissen wir ja alle, verhungern Menschen, weil diese Produkte an den Märkten sozusagen mit die Preise nach oben treiben und das ist einfach eine Sauerei, das ist ein Unding

2003 hatten Investoren noch 13 Milliarden $ in Rohstoffe investiert, darunter auch Nahrungsmittel.
Diese Summe explodierte geradezu auf über 600 (!) Milliarden Dollar in 2011.
Das hat Folgen für die Nahrungsmittelpreise. Lange Zeit waren sie unauffällig, mit den Spekulanten stieg der Preis. Der Index für Grundnahrungsmittel hat sich seit 2003 mehr als verdoppelt – obwohl immer genügend Nahrungsmittel produziert wurden.

Genf, das Zentrum für Geschäfte mit Nahrungsmitteln. Ein Drittel des weltweiten Getreides wird hier gehandelt. Milliarden Umsätze. Ein sehr diskretes Gewerbe.
Im Luxushotel InterContinental am Genfersee trifft sich die Branche auf der Global AgInvesting, eine der großen Konferenzen für Nahrungsmittel Spekulanten. Finanzmanager sprechen hier Strategien ab über lohnende Investment.
Das wollen wir uns näher ansehen.

Das ist Privat hier, wenn Sie 2000 Dollar zahlen können Sie reinkommen, ansonsten gehen Sie bitte.“
Journalisten sind nicht erwünscht, die Dame holt ihren Chef.
Ich kann nur sagen, wir respektieren den Wunsch der Konferenzteilnehmer. Hier geht es um private Informationen die nicht in der breiten Öffentlichkeit diskutiert werden sollen.“
Doch wir gelangen an vertrauliche Broschüren aus der Konferenz, über lukrative Deals mit Nahrungsmittel.

Die Duxton Vermögensverwaltung präsentiert einen neuen Fonds, eine Milliarde Dollar schwer. Der wettet auf steigende Nahrungsmittelpreise mit sicherem Gewinn. Denn jedes Jahr, heißt es hier, müssen auf der Erde 80 Millionen neue hungrige Mäuler gefüttert werden. Das verfügbare Ackerland aber sei beschränkt.
Eine andere Insider Broschüre von Agroreserve, ein Investmentvorschlag für riesige Getreidelager in Russland. Versprochene Rendite bis zu 55 (!) Prozent.
Diese Geschäfte sollen verborgen bleiben.
Mittlerweile ist der Sicherheitsdienst gekommen.
Der Hotelmanager persönlich wirft uns hinaus.

Finanzhändler Andre Gaufer sagt uns wer in Deutschland so alles Spekulationsgeschäfte anbietet. Als Fonds in die jeder investieren kann.
Agrarrohstoffe – begrenzt und begehrt, das ist jetzt Beispielweise von der Deutschen Bank. In der Aufteilung des Portfolios sehen Sie hier 20 Prozent wird hier investiert in Weizen und 20 Prozent in Mais. Oder LBBW – Die richtige Mischung sorgt für den Erfolg. Für wessen Erfolg frage ich mich, also da wird mir Schlecht, da wird mir Übel. Schauen Sie, diese Finanzprodukte von den Banken und Fonds Gesellschaften die eben Grundnahrungsmittel spekulieren, verursachen in der Endkonsequenz, Hunger und Tod.“ (Andre Gaufer)

Wir recherchieren - wer verkauft spekulative Fonds mit Nahrungsmittel? Das Ergebnis: fast alle machen mit, setzen auf steigende Preise mit eigenen Fonds. Darunter Sparkassen, Volksbanken, Commerzbank und Allianz.
Und die Deutsche Bank?
Wir fragen nach. Zu eigenen Fonds gibt man keine Auskunft, stattdessen heißt es schriftlich:
Die Deutsche Bank betreibt keinen physischen Handel mit Agrarrohstoffen.“
Das vielleicht nicht, aber die Deutsche Bank hat nach unseren Recherchen die meisten Fonds aufgelegt die auf steigende Preise setzen. Wir finden 35 Fonds mit über vier Milliarden (4,785 Mrd.) Euro Wetteinsatz.

Das Geschäft mit steigenden Preisen muss aufhören, fordert jetzt Foodwatch in Berlin.
Thilo Bode (Geschäftsführer Foodwatch)
Wenn auch nur der leiseste Verdacht besteht, und hier besteht ein sehr starker, dass das Wetten mit Nahrungsmittel Menschen schädigt. Dann muss man auch aus moralischen Gründen, einfach damit aufhören. Man muss das verbieten. Damit muss Schluss sein.“

Dafür könnte jetzt das Europaparlament in Brüssel sorgen.
Zuständig der Abgeordnete Markus Ferber von der CSU.
Das Europäische Parlament hat sich klar positioniert, wir wollen den spekulativen Anteil aus den Warentermingeschäften entfernen. Solange diese Mehrheit über alles Fraktionen, über alle Mitgliedsländer hinweg bestehen bleibt, bin ich auch sehr optimistisch das wir das am Ende durchsetzen können.“ (Markus Ferber)
Durchsetzen müsste sich das Europaparlament gegen die Lobbymacht praktisch der gesamten Finanzwirtschaft. Dazu gehört etwa die Handelsplattform Chi-X, die Deutsche Börse und natürlich große Finanzinstitute wie Barclays, Deutsche Bank und Goldman Sachs.
In Brüssel sind sie vertreten mit diversen Lobbyverbänden, dem Finanzmarktverband AFME, dem internationalen SWAPS und Derivate-Verband ISDA und jeder Menge weiterer Verbände. Hunderte Lobbyisten der Finanzindustrie mit einem Ziel; die Politik beeinflussen.

Bis vor kurzem war er selbst Lobbyist der Finanzindustrie, Joost Mulder hat nun die Seiten gewechselt, arbeitet für die Organisation Finance Watch in Brüssel.
Die Lobby der Finanzindustrie wird jetzt versuchen den Gesetzgebungsprozess entweder zu verhindern oder zu verzögern. Jeder gewonnene Monat, ist ein Monat mit weiteren Profiten. So einfach ist das.“ (Joost Mulder)

So einfach wird sich die Politik nicht gegen die Finanzlobby durchsetzen, es wäre das erste mal.


(Dank an Frontal 21/ZDF und den Autoren Jörg Brase, Hans Kobertsein, Boris Quatram)
HIER zur ZDFmediathek mit dem Beitrag.


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