Es
begann mit einer Idee und einem Hashtag, beide verbreiteten sich in
sozialen Medien wie ein Lauffeuer. Nur drei Tage später, am 30.
Oktober,
wurden dreißig Vodafone-Läden im ganzen Land zugemacht. Eine Woche
später wurde die „Big
Society Revenue and Customs“
lanciert – wenn die Regierung nicht dafür sorgen würde, dass
Steuervermeider bezahlen, dann wir. Philip
Greens Steuervermeidungsimperium wurde
zu unserer Liste hinzugefügt und wir machten seinen größten Laden
in London zu. In Bury St Edmunds legten sich Alex und seine Mutter in
den Eingang eines Vodafone-Ladens und zwangen ihn, zu schließen. An
jenem Tag gab es Proteste in 23 unterschiedlichen Städten. Zwei
Wochen später, am „Zahltag“,
fanden 55 Proteste in den Einkaufsmeilen in Städten im ganzen Land
statt. In Brighton
klebten sich Aktivisten im Nikolauskostüm am Schaufenster von BHS
fest,
im Londoner Hauptladen von Topshop veranstalteten Aktivisten einen
„Sporttag“ mit Eierlöffelrennen, Fußball und Scherensprüngen.
Ein fünzehnjähriges Mädchen in Liverpool organisierte eine Aktion,
machte einen Topshop-Laden zu, und eilte nach Hause, um auf ihre
GCSE-Prüfung (etwa mittlere Reife, d. Ü.) zu lernen. Am 30. Januar,
einen Tag vor dem Stichtag für die Steuererklärung, mobilisierten
wir wieder, nun mit Boots und Tesco auf unserer Liste der
Steuervermeider: Bis zu 30 Proteste fanden im ganzen Land statt.
Innerhalb weniger Monate war aus uns eine nationale Bewegung
geworden.
Im
Februar begann die zweite Stufe unserer Kampagne. Wir richteten
unsere Aufmerksamkeit auf die Banken. Und „Uncut“ wurde
international. Am 26. Februar veranstalteten UK Uncut und die neu
formierte Bewegung US
Uncut einen
“Bail-in”
der geretteten Banken. Mehr als 100 Aktionen fanden statt, von London
bis Dundee und von New York bis Honolulu. Wir richteten Kinderhorte,
Waschsalons, Klassenzimmer, Büchereien, Obdachlosenheime,
Theatervereine, Ambulanzen, Jugendzentren, Arbeitslosenagenturen und
Freizeitzentren in Banken in ganz Großbritannien ein. Wir hatten
eine einfache Botschaft: Es ist ihre Krise, sie sollten dafür
bezahlen.
Im
März ging es im gleichen Tempo weiter. Am 26. März schlossen
wir uns den 500.000 Demonstranten im Zentrum Londons an,
die eine Alternative zu den Kürzungen und Sparmaßnahmen forderten.
UK Uncut-Gruppen aus dem ganzen Land kamen zusammen, um Oxford
Street, Banken und Läden zu besetzen und in Büchereien und Theater
zu verwandeln, in BHS sah man eine Shakespeare-Aufführung mit Sam
und Anthony West, und es gab Freiluftkabarett mit Josie Long und Mark
Thomas. Hunderte von uns schlossen sich zusammen, um den ikonischen
Laden Fortnum
and Mason zu besetzen –
er ist nicht nur ikonisch als Lebensmittelladen der Königin, sondern
auch als Steuervermeider.
145 von uns wurden bei dem Protest, der von der dort anwesenden
hochrangigen Polizeibeamtin als „vernünftig
und gewaltlos“
bezeichnet wurde, festgenommen und unter Anklage gestellt. Gegen 30
von uns wird immer
noch ein Prozess geführt.
In den Medien und im Parlament hat man uns fürchterlich beschimpft.
Doch in dieser schwierigen Zeit entstand auch viel Schönes. Die
Unterstützung und Solidarität, die wir von Gruppen und
Einzelpersonen, NGOs, und Gewerkschaften, von Mums Uncut und Art
Uncut erfahren haben, war inspirierend.
Im
Mai waren wir wieder da! Abermals besetzten wir Banken im ganzen Land
zur Durchführung einer „Notoperation“,
um staatliche Kürzungen bei unserem NHS (dem staatlichen
Gesundheitsdienst) zu stoppen. Aktivisten in Krankenhauskitteln,
bewaffnet mit Kunstblut und Bandagen richteten „OP-Säle“ in den
Filialen der vier großen Banken (RBS, Natwest, Barclays und Lloyds)
ein. Uncut wurde immer internationaler: Portugal und Kanada Uncut
veranstalteten ihre ersten Aktionen. US Uncut inszenierte im April
eine viertägige Besetzung von steuervermeidenden Konzernen von
Hawaii bis New Hampshire.
Im
Juni unterstützten wir die Arbeiter, die für eine Alternative
streikten, das “Big
Society-Frühstück”
brachte den Streikposten Solidaritätstee, um zu zeigen, dass wir
„alle im gleichen Boot sitzen“. An diesem Tag streikten 700.000
Menschen, im November werden wahrscheinlich Millionen streiken.
Am
9.
Oktober nahmen
wir am größten Akt massenhaften zivilen Ungehorsams teil, der in
diesem Land seit vielen Jahren stattgefunden hat. Mehr als 2.000
Menschen kamen aus dem ganzen Land zum Zentrum Londons, um in einem
letzten großen Gefecht zur Rettung des NHS die Westminster Bridge zu
besetzen. Wir wurden im herbstlichen Sonnenschein von unseren
Clownärzten unterhalten, wir schlossen uns zusammen mit
Krankenpflegepersonal,
Patienten, Gewerkschaftern und besorgten Bürgern.
Wir kamen, um die
Brücke und die Gesetzesvorlage zu blockieren.
Als wir gingen, fühlten wir uns von den Menschen, die bereit waren,
das was richtig ist, zu verteidigen, ermächtigt und inspiriert. Am
Ende dieser Aktion wurde die erste allgemeine Versammlung begründet,
aus der Occupy
London entstand;
dessen mutige Aktivisten campieren
noch immer vor
der Kathedrale St. Paul’s.
Was
für ein Jahr! Jeder der bei UK Uncut mitgemacht hat, sollte stolz
auf seine Handlungen sein und sich ermächtigt fühlen, mehr zu tun.
In nur einem Jahr haben wir all dies erreicht. Aus einem Hashtag und
einer Idee haben wir uns zu einem nationalen und internationalen
Netzwerk von Menschen entwickelt, die etwas unternehmen.
UK
Uncut setzt sich aus den Personen zusammen, die an Aktionen
teilnehmen. Wir sind ihr. Wir sind Mütter und Rentner,
Gewerkschafter und Studenten, Angestellte im privaten Sektor und
Arbeitslose, Behinderte und Schulkinder. Wir sind normale Leute, die
dafür einstehen (oder sich hinsetzen), woran wir glauben, und für
die Änderungen, die wir sehen möchten.
Die
Leute fragen uns gelegentlich, was wir erreicht haben und was wir zu
erreichen hoffen als UK Uncut. Denkt bei diesen Gelegenheiten an die
inspirierenden, kreativen Direktaktionen, die wir zusammen
unternommen haben, die Netzwerke an Freunden und Aktivisten, die wir
geschmiedet haben, und die Debatten über echte Alternativen zu
diesen unnötigen Kürzungen, die wir entzündet haben. Über unsere
Anliegen wurde in der nationalen
Presse ausführlich berichtet,
wir haben das Thema Steuervermeidung in die TV-Hauptsendezeit
gebracht, wir haben die Debatte mitgestaltet und Steuervermeidung auf
der politischen Agenda ganz nach oben geschoben. Die Anwälte der
Königin sagten, wir
hätten recht gehabt,
die britische Einkommens- und Steuerbehörde (HMRC) führte
Schulungsseminare
über uns durch
und PR-Experten diskutierten darüber, wie
man sich als Ziel von UK Uncut verhalten sollte.
Eine Myriade
öffentlicher Persönlichkeiten drückte ihre Unterstützung für uns
aus,
während der Londoner Bürgermeister Boris
Johnson und
Innenministerin Theresa
May gegen
uns hetzten.
Denkt
ebenfalls an die schwer erkämpften politischen Siege, die langsam
aber sicher echte politische Veränderungen herbeiführen werden.
Parlamentarier setzen sich für uns im Unterhaus ein, zeichnen
frühzeitige Anträge (Early
Day Motions, EDM)
mit und versuchen, eine Steuerreform
einzuführen.
Unsere Kampagnen veranlassten den Nationalen Rechnungshof (National
Audit Office) und den Sonderausschuss des Finanzministeriums
(Treasury Select Committee), fragwürdige Steuerdeals zu untersuchen.
Diese Untersuchungen haben dazu geführt, dass der Chef der
Einkommens- und Steuerbehörde Dave Hartnett nun mit
dem Rücken zur Wand steht
und sie zwingen die britische Einkommens- und Steuerbehörde dazu,
ihren Umgang mit Steuervermeidern zu überdenken.
Wir
haben noch einen langen Weg vor uns, es gibt noch Vieles zu lernen –
zusammen schaffen wir es.
Bis
bald auf der Straße!
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