Sonntag, 18. Dezember 2011

Die Suche nach einem Unternehmensmotto


Die Suche nach einem Motto für das eigene Zielpublikum.
Ist die Sicht aus unternehmerischen Blickwinkel vielleicht auch oft das Vorbeischauen an der Realität um der Werbung Willen?


Leserbrief in der Deutschen Sprachwelt (Druckausgabe 45 / Herbst 2011) mit der Überschrift:
Schlecker: Unsere Kunden haben niedriges Bildungsniveau

Sehr geehrter Herr Dr. W.,

zunächst vielen Dank für Ihre engagierte, durch die kleine Unterschriftensammlung bekräftigte Zuschrift, die unser neues Unternehmensmotto „FOR YOU. VOR ORT.“ kritisiert.
Persönlich kann ich das nachvollziehen, denn als Geisteswissenschaftler fühle auch ich mich im privaten Sprachgebrauch der Stiltugend der Latinitas verpflichtet und sehe die Bestrebungen des Vereins Deutsche Sprache mit großem Wohlwollen. Um jedoch die Position des Unternehmens Schlecker zu verstehen, lade ich Sie ein, Ihre Perspektive zu wechseln und die Sache aus unternehmerischem Blickwinkel zu betrachten.

Schlecker hat nach einem neuen Unternehmensmotto gesucht. Dieses Motto sollte die durchschnittlichen Schlecker-Kunden, die niederen bis mittleren Bildungsniveau zuzuordnen sind, ansprechen. Wir haben renommierteste Marketing- und Marktforschungsagenturen beauftragt, unter diesen Gesichtspunkten eine optimale Parole für uns zu finden. Der so zustande gekommene Vorschlag „FOR YOU. VOR ORT.“ machte am Ende vor allem deshalb das Rennen, weil er beim für unsere Haupt-Zielgruppen repräsentativen Testpublikum am besten abschnitt. Dies lag nicht zuletzt daran, dass er durch sein provokant kalauerndes Denglisch im Gedächtnis hängen bleibt und gleichzeitig kontroversen Gesprächsstoff liefert. Mit einer rein deutschen, sprachrichtigen Formulierung würden diese Effekte verloren gehen. Wir geben Ihnen daher zweierlei zu bedenken: Zweck eines Werbespruchs ist nicht, einen Beitrag zur Bereicherung oder Reinhaltung der deutschen Sprache zu liefern; die Zielgruppe unseres Werbespruchs sind auch nicht die vielleicht 5% der Bevölkerung, zu denen Sie und Ihre Mitunterzeichner gehören (nämlich promovierte Akademiker, Philologen und andere reflektierte Sprachverwender) – sondern die übrigen 95%.
Die Funktion eines Werbespruchs ist es, in dieser breiten Masse der Bevölkerung nachhaltig positive Aufmerksamkeit zu erregen.

Wir nehmen Ihren Protest also mit Sympathie zur Kenntnis, müssen Ihnen aber gleichzeitig mitteilen, dass wir aus den dargelegten Gründen „FOR YOU. VOR ORT.“ nicht infrage stellen und bitten dafür um Ihr geschätztes Verständnis.

Mit freundlichen Grüßen
Florian Baum M.A.
(Leiter Unternehmenskommunikation)


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