Der aristo Blog hat einen offenen Brief an die Abgeordneten des Bundestages in den Blog gestellt.
Sehr geehrte/r Abgeordnete/r
wie die Unterzeichner dieses Schreibens erfahren haben,
hat die derzeitige Bundesregierung vor, eine Änderung des Artikels 23 (1) zum
Zweck der Ratifizierung des EU-Vertrags in abgeänderter Form vom
23. Juli 2007 im Bundestag herbeizuführen.
Hiermit möchten wir unsere ernsthaften Bedenken diesem Vorgang gegenüber zum Ausdruck
bringen und Sie darum bitten diesen Vorgang zu unterbinden. Um Ihnen unsere Bedenken zu
erläutern, werde ich im folgendem, Auszüge der Schlussakte zu den Verträgen von Lissabon vom
23. Juli 2007 zitieren und erläutern.
In dieser Akte steht erstmal folgendes:
DIE KONFERENZ DER VERTRETER DER REGIERUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN,
die am 23. Juli 2007 in Brüssel einberufen wurde, um im gegenseitigen Einvernehmen die
Änderungen zu beschließen, die an dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag
zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und dem Vertrag zur Gründung der
Europäischen Atomgemeinschaft vorzunehmen sind, hat folgende Texte angenommen:
I. Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union
und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
II. Protokolle
(diese Protokolle habe ich hier weggelassen da diese für mein Anliegen momentan
nicht relevant sind, können aber in der Quelle nachgeschlagen werden, siehe
Quellenangabe)
III. Anhang zum Vertrag von Lissabon
— Übereinstimmungstabellen nach Artikel 5 des Vertrags von Lissabon
Die Konferenz hat die folgenden dieser Schlussakte beigefügten Erklärungen angenommen:
A. Erklärungen zu Bestimmungen der Verträge
Hier ist eine Erklärung ganz besonders wichtig und zwar:
17. Erklärung zum Vorrang
Die Konferenz weist darauf hin, dass die Verträge und das von der Union auf der
Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union unter den in dieser Rechtsprechung
festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben.
Darüber hinaus hat die Konferenz beschlossen, dass das Gutachten des Juristischen
Dienstes des Rates zum Vorrang in der Fassung des Dokuments 11197/07 (JUR 260)
dieser Schlussakte beigefügt wird:
Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates vom 22. Juni 2007
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Vorrang des EG-Rechts einer
der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts. Dem Gerichtshof zufolge ergibt sich
dieser Grundsatz aus der Besonderheit der Europäischen Gemeinschaft. Zum
Zeitpunkt des ersten Urteils im Rahmen dieser ständigen Rechtsprechung
(Rechtssache 6/64, Costa gegen ENEL, 15. Juli 1964(1)war dieser Vorrang im Vertrag
nicht erwähnt. Dies ist auch heute noch der Fall. Die Tatsache, dass der Grundsatz
dieses Vorrangs nicht in den künftigen Vertrag aufgenommen wird, ändert nichts an
seiner Existenz und an der bestehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs.
Aus (...) folgt, dass dem vom Vertrag geschaffenen, somit aus einer autonomen
Rechtsquelle fließenden Recht wegen dieser seiner Eigenständigkeit keine wie
immer gearteten innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgehen können, wenn ihm
nicht sein Charakter als Gemeinschaftsrecht aberkannt und wenn nicht die
Rechtsgrundlage der Gemeinschaft selbst in Frage gestellt werden soll.
Dies ist ein eindeutiger Bruch des jetzigen Grundgesetzes, denn dieses beschränkt
die Übertragung von Souveränitätsrechten gemäß neuem Art.23 (1) ausdrücklich
auf eine Europäische Union, die“….dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist“.
Eine so erfolgende Außerkraftsetzung des geltenden Grundgesetzes zugunsten
der EU hat jedoch mit Subsidiarität absolut nichts mehr zu tun, sondern ist ihr
Gegenteil, denn hiermit werden letztlich alle, auch noch die restlich verbliebenen
nationalen Rechte zur freien Verfügung der EU gestellt, und keineswegs nur
diejenigen, die zur Funktion einer Europäischen Union ansonsten autarker
nationaler Mitgliedsstaaten unbedingt notwendig sind.
Nach Art.79 (3) GG ist darüber hinaus jede grundsätzliche Änderung der Artikel 1 bis 20
des Grundgesetzes ausgeschlossen, also auch der Festlegung des Art.20(2), „alle
Staatsgewalt geht vom Volke aus“. Doch die obige EU-Bestimmung würde heißen,
dass alle Staatsgewalt letztlich von der EU und nicht mehr vom deutschen Volke
ausginge. Also nicht nur ein Verfassungsbruch als solcher, sondern sogar einer der
Artikel 1 bis 20 - seinerzeit die Basis der Genehmigung des Grundgesetzes durch
die Alliierten als von jedem Zugriff ausgeschlossener Grundsätze.
Die geplanten Änderungen der Artikel 23, 54 und 93 sind aus oben genannten
Gründen mehr als scheinheilig. Die Änderung hat also zum Ziel darüber hinweg
zu täuschen, dass letztendlich das Grundgesetz ausgehebelt wird und ein einer
Verfassung gleich stehender Vertrag unter Umgehung des Artikels 146 des
Grundgesetzes etabliert wird.
Art 146
Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands
für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem
eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung
beschlossen worden ist.
Nach diesem Artikel ist die einzige Möglichkeit das Grundgesetz zu ersetzen, ein
Referendum durchzuführen. Daher ist der derzeitige Vorgang grundgesetzwidrig
und stellt möglicherweise eine Straftat im Sinne des §81 Absatz 1 Strafgesetzbuch dar.
Halten Sie es für demokratisch, einen Vertrag zu ratifizieren, der nahezu identisch
mit dem EU-Verfassungsvertrag ist, der in einem Referendum sowohl in
Frankreich als auch in den Niederlanden vom Volk unbestätigt blieb?
Haben Sie die Wähler in Ihrem Wahlkreis befragt?
Wir möchten Sie daran erinnern, dass Sie nicht als Vertreter Ihrer Partei im
Bundestag sind,
sondern als Vertreter Ihrer Wähler.
Und wir möchten Sie daran erinnern, welch unheilvolle Folgen in 1933 entstanden sind.
Zu bedenken sind folgende Regelungen:
Rolle der Parlamente der Mitgliedsstaaten und des europäischen Parlaments Die
nationalen Parlamente erscheinen wiederholt (neuer Artikel 8C EUV, Protokoll Nr. 1
und 2.) mit dem offensichtlichen Wunsch, ihre Rolle zu verstärken. Der Artikel 7 des
Protokolls Nr. 2 gibt das Verfahren an, die es ihnen ermöglicht, auf den europäischen
Gesetzgeberischen Prozess einzuwirken. Jedes Mitgliedsparlament hat 2 Stimmen.
Es gibt zwei Möglichkeiten. Im Falle eines normalen Gesetzgebungsverfahrens muss,
wenn eine Mehrheit der den Mitgliedstaatsparlamenten gewährten Stimmen eine
negative Beurteilung ist, das Projekt erneut erörtert werden. In den anderen Fällen
reicht ein Drittel der Stimmen (ein Viertel im Falle von Sicherheits- und Justizfragen).
Die negative Beurteilung muss durch den Nicht-Respekt des Prinzips der Subsidiarität
begründet sein. Dieser Artikel verstärkt sicherlich die Rolle der Parlamente der
Mitgliedsstaaten. Dennoch ist seine Tragweite sehr eingeschränkt, da die Parlamente
der Mitgliedsstaaten sich nicht zum Inhalt des Projekts, sondern nur zur Frage seiner
juristischen Vereinbarkeit, Respekt oder Nicht-Respekt des Prinzips der Subsidiarität
aussprechen dürfen. Die Rolle des europäischen Parlaments wird durch eine
beträchtliche Ausweitung der für Mitbestimmung mit dem Rat relevanten Bereiche
ausgeweitet. Schließlich kann ein Parlament eines Mitgliedsstaates eine Entscheidung
des Rates blockieren, die den Annahmemodus durch das erstere von Gesetzesakten
ändert, in dem Fall wo der Rat sich entscheidet, mit qualifizierter Mehrheit zu entscheiden,
obwohl die Verträge Einstimmigkeit verlangen, sowie im Fall des Übergangs von einem
speziellen Gesetzgebungsverfahren zu einem gewöhnlichen Gesetzgebungsverfahren
(neuer Artikel 33-3 EUV).
Recht auf individuelle Klage vor dem Gerichtshof ist eingeschränkt. Der 4. Absatz des
Artikels 230 VAU wird geändert. Die augenblickliche Version sah vor, dass eine Klage eines
Einzelnen zulässig war, selbst wenn eine Maßnahme, die ihn selbst direkt und individuell
betrifft, „anscheinend unter einer Regel oder einem Beschluss gefasst worden war, die
an eine andere Person gerichtet war“. Letztere Möglichkeit ist verschwunden.
Die anderen Änderungen :Die Union wird mit einer juristischen Persönlichkeit versehen,
die es ihr ermöglicht, internationale Abkommen im Namen der Mitgliedsländer abzuschließen.
Die qualifizierte Mehrheit ändert sich am 1. November 2014 und besteht dann aus der
Hälfte der Mitgliedsstaaten und 55% der Bevölkerung, mit komplizierten Übergangsregelungen,
die bis 2017 gelten können. Verringerung der Zahl der Kommissare, hier ebenfalls mit
Übergangsregelungen bis zum 31. Oktober 2014. Schaffung des Postens eines Präsidenten
des Europäischen Rates für eine Dauer von zweieinhalb Jahren, einmal verlängerbar
und des Postens eines Hohen Repräsentanten (der Begriff Minister ist abgelehnt worden)
der Union für auswärtige Angelegenheiten.
Wie Sie hier nachlesen können, ist die Substanz der Verfassung erhalten geblieben
Bundesregierung.de
Wir bitten diesbezüglich um Stellungnahme.
Hochachtungsvoll
16.03.2008, die Unterzeichner
Iks/n.i.r.b.i.d./Newword/Masterofeye/Enrico/Megahoschi/muffl556/Primus inter pares/nofretete1969/lucy/voltaire/anonymous1984/an0nym/ANTIsamIT/Knochen/NXo5/
linx/Mr. Chainsaw/goldmull/aristo
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Sehr gute Information zu diesem Thema sollten Sie unbedingt beim European Union Law Blog lesen, dazu ist die Sache einfach zu wichtig !
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Quelle: aristo blog
2 Kommentare:
Zu der Email möchte ich auf einen Eintrag von mir verweisen, der mindestens genauso interessant sein sollte:
http://www.law-europe.eu/panik-auf-der-eu-titanic/
Danke für den Hinweis! Es ist wirklich ein guter und umfassender Artikel, den man nur allen Lesern empfehlen kann.
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