Wobei
die „Situation oder im Moment“ sich seit Jahrzehnten hinzieht.
Braunbehrens: Der
erste Schritt sollte sein, dass die Bundesregierung, ganz Europa sich
darüber einigen, wie wir uns in dieser Welt aufstellen. Wir Europäer
können uns nicht einfach entziehen und sagen: Wir sind die Guten,
die keine Waffen haben. Sondern wir müssen
uns an Frieden erhaltenden und schaffenden Einsätzen beteiligen,
schon allein aufgrund unserer Stellung weltweit. Auf die sollten wir
nicht freiwillig verzichten.
Käßmann: Worum
geht es – um eine Machtposition?Braunbehrens: Ja.
Aber eine Machtstellung für etwas! Ich als Anteilseigner muss mir
die Frage stellen: Wofür dient das, was ich geerbt habe und nicht
loswerde. Ich komme zu dem Ergebnis: Wir
müssen mitmischen.
Europa konnte den Jugoslawienkonflikt nicht beenden, schon gar nicht
verhindern. Wir
brauchten die Amerikaner, um Frieden durchzusetzen.
Europa sollte aber für seine
Werte selbst eintreten und dafür ein militärisches Potenzial
halten.Käßmann: Ich
habe Probleme mit dem „Mitmischen“. Waffenexporte
sind ja nicht demokratisch und transparent geregelt.
Der von
der Bundesregierung eingesetzte Bundessicherheitsrat entscheidet
geheim und ohne parlamentarische Kontrolle.
Wir sehen immer nur nach vollzogener Lieferung und mit großer
Verspätung, was da passiert ist. 2004,
nach Ende des Waffenembargos, fingen die Lieferungen von Deutschland
nach Libyen an.
Heute erfahren wir, was alles geliefert wurde. Die Bundesregierung
wusste immer, dass Gaddafi kein Freiheitskämpfer war.
….
Braunbehrens: Schön
wäre es, wenn ich da Verantwortung wahrnehmen könnte. Aber
die Geschäftsleitung ist sogar gegenüber den Gesellschaftern zur
Geheimhaltung verpflichtet,
genau wie der Bundessicherheitsrat. Als ich mich zu den
Saudi-Arabien-Exporten öffentlich kritisch geäußert habe, bin
ich aus dem Aufsichtsrat geflogen. Wenn
sich die Gesellschafter in ihrer großen Mehrheit äußern würden,
könnten sie Einfluss nehmen. Aber es wird alles getan, dass so etwas
nicht stattfindet.Käßmann: Interessant,
dass sonst keiner sagt: Ich bin in der Rüstungsindustrie an
verantwortlicher Stelle tätig, oder: Ich habe Aktienpakete, ich
könnte Einfluss nehmen. Offensichtlich
haben alle ein Bewusstsein dafür, dass Geld mit Waffen zu verdienen
nicht besonders edel, hilfreich und gut ist.
…
Käßmann: Ich
habe große Mühe mit Rechtfertigungen. Ich bin aber Mitglied einer
Kirche, die rechtserhaltende Gewalt unter Wahrung strenger Kriterien
hinnehmen kann: wenn die Gewalt dem Schutz des Lebens dient und von
der Staatengemeinschaft autorisiert ist. Solche Einsätze müssen
begrenzt, ihre Mittel und die negativen Folgen verhältnismäßig
sein. Ziviles Engagement muss immer Vorrang haben. Von
gerechtem Krieg kann keine Rede sein.Braunbehrens: Könnte
ich voll unterschreiben, Frau Käßmann! Was ich Sie aber noch fragen
wollte: Hat es Sie nie gewundert, dass
ab Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre Religionen in diesen
weltweiten Auseinandersetzungen eine riesige Rolle spielen?
Bemühen
sich die Kirchen, dass Religionen aus Auseinandersetzungen
rausgehalten werden und sich gegenseitig tolerieren?
Käßmann: Das
ist für mich ein wichtiges Thema: dass Religion nicht Konflikte
verschärft, sondern entschärft. Meistens werden politische
Konflikte geführt, und die Religion lässt sich verführen, Öl ins
Feuer zu gießen. In Nordirland wurde ein pro- und antibritischer
Konflikt unter dem Label „protestantisch“ gegen „katholisch“
geführt. Religiös motivierte Akteure stiften in Konflikten aber
auch Frieden. In Liberia waren es muslimische und christliche Frauen.
In Osttimor war ein katholischer Bischof die Galionsfigur.
Solche Persönlichkeiten sind in der Kultur verankert, genießen
Vertrauen und wagen aus religiösen Gründen etwas.
….
Braunbehrens: Bei
Waffenkäufen geht es auch um Prestige.
Der Leo ist ein Mythos. Katar ist sehr reich, aber nicht groß ...
Käßmann: ...eine
Halbinsel mit 60 Kilometern Landgrenze...
Braunbehrens: ...da
steht dann alle 300 Meter ein Panzer.
Dabei ist er eigentlich ein Gerät für Schlachten, die es so nicht
mehr gibt.
Zum
Schluss jemand aus dem Kommentarbereich mit klaren Blick:
Autor
des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Gast schrieb am
27. September 2012 um 14:48: "Idiotisch, zu glauben, mit ein
paar banalen Sätzen, alles ausdrücken zu können, was die Wirkung
von Religionen betrifft !" Da haben Sie völlig recht. Mir ist
allerdings auch kein Schwarzbuch der Religionen bekannt, das mit ein
paar Seiten ausgekommen wäre. Die Materialsammlung ist jeweils
ziemlich umfangreich. ___ Zitat: "...ist es wichtig, den
friedensstiftenden Kern der Weltreligionen zu verstehen..." Wo
haben Sie denn einen friedensstiftenden Kern von Religionen entdeckt?
Mal davon abgesehen, dass die Religion kein Kernobst ist, von dessen
Kern oder Kernen sinnvoll geredet werden könnte, so wären zwei
Feststellungen zu treffen. Einerseits werden die Religionen,
insbesondere das Christentum, nicht müde, vom Frieden zu sprechen.
Friedensgruß und Friedensgebet, Friedenswunsch und Friedensapostel,
Friedensgeläut und Friedensgesang. Als Krönung ist der Chef vom
Ganzen der leibhaftige Friedensfürst. Sind die Religionen oder die
Religionskerne also die Sachwalter des Friedens? Da wäre auf die
zweite Feststellung zu achten. Die Kriegsherren, in modernen Zeiten
also die Staaten, ganz gleich ob demokratische oder andere, pflegen
beste Beziehungen zu den Gläubigen samt ihren Religionen und
Kirchen. Und das nicht nur in den Zwischenkriegszeiten, die gerne
Frieden genannt werden, sondern auch und gerade dann, wenn die Kriege
geführt werden. Ich kenne keinen einzigen Staat, der im Kriegsfall
die Priester oder wie die Berufsgläubigen heißen mögen,
systematisch weggesperrt hätte. Im Gegenteil, Stalin erinnerte sich
der orthodoxen Kirche, Saddams Laizismus wankte verdächtig und in
Deutschland werden die Pfarrer nicht von der Truppe ferngehalten,
sondern die Militärseelsorge läuft auf Hochtouren. ______Also von
wegen friedensstiftender Kern. Die Funktion der Religion ist die
Bereitstellung eines unglaublich tollen Wertehimmels. Den braucht
jeder Kriegsherr, weil sonst das verehrte Menschenmaterial sich weder
abmurksen lässt noch den Feind durch völkerrechtlich saubere
Blattschüsse ins Jenseits befördert. So ein Wertehimmel will
langfristig gepflegt und aufgebaut werden. Da stehen die Gläubigen
an erster Stelle. Deswegen sieht es der Staat ganz gern, wenn eine
beliebte Glaubensführerin eine kesse Lippe bezüglich eines Details
der Rüstungsdiplomatie an den Tag legt. Wenn die Pfarrer laufend
sagen würden, dass Waffen und Kriegsvorbereitungen schwer in Ordnung
gingen, hätten sie ihre kriegsfördernde Funktion verloren. Dann
hieße es, na ja, die Kriegstreiber sind wie immer dafür. Aber so
kann der Staat darauf hinweisen, dass er moralisch hochstehende
Wächter des Friedens in den Kirchen hat. Und das, was die so
prächtig finden - Freiheit, Frieden, Demokratie usw. - sind genau
die Berufungstitel, die der Staat für seine Politik einschließlich
seiner Kriege braucht.
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