Sonntag, 30. September 2012

Von Waffen und Frieden und der momentanen Situation als Schuldiger des Unfriedens


Wobei die „Situation oder im Moment“ sich seit Jahrzehnten hinzieht.

Kurzauszug der Diskussion mit Margot Käßmann und Burkhart Braunbehrens:

Braunbehrens: Der erste Schritt sollte sein, dass die Bundesregierung, ganz Europa sich darüber einigen, wie wir uns in dieser Welt aufstellen. Wir Europäer können uns nicht einfach entziehen und sagen: Wir sind die Guten, die keine Waffen haben. Sondern wir müssen uns an Frieden erhaltenden und schaffenden Einsätzen beteiligen, schon allein aufgrund unserer Stellung weltweit. Auf die sollten wir nicht freiwillig verzichten. 

Käßmann: Worum geht es – um eine Machtposition?Braunbehrens: Ja. Aber eine Machtstellung für etwas! Ich als Anteilseigner muss mir die Frage stellen: Wofür dient das, was ich geerbt habe und nicht loswerde. Ich komme zu dem Ergebnis: Wir müssen mitmischen. Europa konnte den Jugoslawienkonflikt nicht beenden, schon gar nicht verhindern. Wir brauchten die Amerikaner, um Frieden durchzusetzen. Euro­pa sollte aber für seine Werte selbst eintreten und dafür ein militärisches Potenzial halten.Käßmann: Ich habe Probleme mit dem „Mitmischen“. Waffenexporte sind ja nicht demokratisch und transparent geregelt. Der von der Bundesregierung eingesetzte Bundessicherheitsrat entscheidet geheim und ohne parlamentarische Kontrolle. Wir sehen immer nur nach vollzogener Lieferung und mit großer Verspätung, was da passiert ist. 2004, nach Ende des Waffenembargos, fingen die Lieferungen von Deutschland nach Libyen an. Heute erfahren wir, was alles geliefert wurde. Die Bundesregierung wusste immer, dass Gaddafi kein Freiheitskämpfer war.

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Braunbehrens: Schön wäre es, wenn ich da Verantwortung wahrnehmen könnte. Aber die Geschäftsleitung ist sogar gegenüber den Gesellschaftern zur Geheimhaltung verpflichtet, genau wie der Bundessicherheitsrat. Als ich mich zu den Saudi-Arabien-­Exporten öffentlich kritisch geäußert habe, bin ich aus dem Aufsichtsrat geflogen. Wenn sich die Gesellschafter in ihrer großen Mehrheit äußern würden, könnten sie Einfluss nehmen. Aber es wird alles getan, dass so etwas nicht stattfindet.Käßmann: Interessant, dass sonst keiner sagt: Ich bin in der Rüs­tungsindustrie an verantwortlicher Stelle tätig, oder: Ich habe Aktienpakete, ich könnte Einfluss nehmen. Offensichtlich haben alle ein Bewusstsein dafür, dass Geld mit Waffen zu verdienen nicht besonders edel, hilfreich und gut ist.



Käßmann: Ich habe große Mühe mit Rechtfertigungen. Ich bin aber Mitglied einer Kirche, die rechtserhaltende Gewalt unter Wahrung strenger Kriterien hinnehmen kann: wenn die Gewalt dem Schutz des Lebens dient und von der Staatengemeinschaft autorisiert ist. Solche Einsätze müssen begrenzt, ihre Mittel und die nega­tiven Folgen verhältnismäßig sein. Ziviles Engagement muss immer Vorrang haben. Von gerechtem Krieg kann keine Rede sein.Braunbehrens: Könnte ich voll unterschreiben, Frau Käßmann! Was ich Sie aber noch fragen wollte: Hat es Sie nie gewundert, dass ab Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre Religionen in diesen weltweiten Auseinandersetzungen eine riesige Rolle spielen? Bemühen sich die Kirchen, dass Religionen aus Auseinandersetzungen rausgehalten werden und sich gegenseitig tolerieren?
Käßmann: Das ist für mich ein wichtiges Thema: dass Religion nicht Konflikte verschärft, sondern entschärft. Meistens werden politische Konflikte geführt, und die Religion lässt sich verführen, Öl ins Feuer zu gießen. In Nordirland wurde ein pro- und anti­britischer Konflikt unter dem Label „protestantisch“ gegen „katho­lisch“ geführt. Religiös motivierte Akteure stiften in Konflikten aber auch Frieden. In Liberia waren es muslimische und christliche Frauen. In Osttimor war ein katholischer Bischof die Galions­figur. Solche Persönlichkeiten sind in der Kultur verankert, genießen Vertrauen und wagen aus religiösen Gründen etwas.

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Braunbehrens: Bei Waffenkäufen geht es auch um Prestige. Der Leo ist ein Mythos. Katar ist sehr reich, aber nicht groß ...

Käßmann: ...eine Halbinsel mit 60 Kilometern Landgrenze...
Braunbehrens...da steht dann alle 300 Meter ein Panzer. Dabei ist er eigentlich ein Gerät für Schlachten, die es so nicht mehr gibt.

Den gesamten Beitrag „Panzer für die Saudis?“ können Sie HIER lesen bei chrismon.de


Zum Schluss jemand aus dem Kommentarbereich mit klaren Blick:
Autor des folgenden Beitrages ist Iwan der Schreckliche. Gast schrieb am 27. September 2012 um 14:48: "Idiotisch, zu glauben, mit ein paar banalen Sätzen, alles ausdrücken zu können, was die Wirkung von Religionen betrifft !" Da haben Sie völlig recht. Mir ist allerdings auch kein Schwarzbuch der Religionen bekannt, das mit ein paar Seiten ausgekommen wäre. Die Materialsammlung ist jeweils ziemlich umfangreich. ___ Zitat: "...ist es wichtig, den friedensstiftenden Kern der Weltreligionen zu verstehen..." Wo haben Sie denn einen friedensstiftenden Kern von Religionen entdeckt? Mal davon abgesehen, dass die Religion kein Kernobst ist, von dessen Kern oder Kernen sinnvoll geredet werden könnte, so wären zwei Feststellungen zu treffen. Einerseits werden die Religionen, insbesondere das Christentum, nicht müde, vom Frieden zu sprechen. Friedensgruß und Friedensgebet, Friedenswunsch und Friedensapostel, Friedensgeläut und Friedensgesang. Als Krönung ist der Chef vom Ganzen der leibhaftige Friedensfürst. Sind die Religionen oder die Religionskerne also die Sachwalter des Friedens? Da wäre auf die zweite Feststellung zu achten. Die Kriegsherren, in modernen Zeiten also die Staaten, ganz gleich ob demokratische oder andere, pflegen beste Beziehungen zu den Gläubigen samt ihren Religionen und Kirchen. Und das nicht nur in den Zwischenkriegszeiten, die gerne Frieden genannt werden, sondern auch und gerade dann, wenn die Kriege geführt werden. Ich kenne keinen einzigen Staat, der im Kriegsfall die Priester oder wie die Berufsgläubigen heißen mögen, systematisch weggesperrt hätte. Im Gegenteil, Stalin erinnerte sich der orthodoxen Kirche, Saddams Laizismus wankte verdächtig und in Deutschland werden die Pfarrer nicht von der Truppe ferngehalten, sondern die Militärseelsorge läuft auf Hochtouren. ______Also von wegen friedensstiftender Kern. Die Funktion der Religion ist die Bereitstellung eines unglaublich tollen Wertehimmels. Den braucht jeder Kriegsherr, weil sonst das verehrte Menschenmaterial sich weder abmurksen lässt noch den Feind durch völkerrechtlich saubere Blattschüsse ins Jenseits befördert. So ein Wertehimmel will langfristig gepflegt und aufgebaut werden. Da stehen die Gläubigen an erster Stelle. Deswegen sieht es der Staat ganz gern, wenn eine beliebte Glaubensführerin eine kesse Lippe bezüglich eines Details der Rüstungsdiplomatie an den Tag legt. Wenn die Pfarrer laufend sagen würden, dass Waffen und Kriegsvorbereitungen schwer in Ordnung gingen, hätten sie ihre kriegsfördernde Funktion verloren. Dann hieße es, na ja, die Kriegstreiber sind wie immer dafür. Aber so kann der Staat darauf hinweisen, dass er moralisch hochstehende Wächter des Friedens in den Kirchen hat. Und das, was die so prächtig finden - Freiheit, Frieden, Demokratie usw. - sind genau die Berufungstitel, die der Staat für seine Politik einschließlich seiner Kriege braucht.

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