Mittwoch, 25. Juli 2012

Man will uns das Brandmal Auslandsagent auf die Stirn brennen



Der Kreml verfolgt Nichtregierungsorganisationen als „ausländische Agenten“


Der Kreml setzte ein weiteres Gesetz durch, das in der Zivilgesellschaft die Nichtregierungsorganisationen (NRO) aufs Korn nimmt, die von außerhalb Russlands Unterstützung bekommen. Sie erhalten den Status „Ausländische Agenten“, ein Begriff, der für den gewöhnlichen Russen ein Synonym für „Spion“ und „Verräter“ ist.

Das Gesetz hat der Abgeordnete der Kreml-Partei „Einiges Russland“ Alexander Sidyakin ausgearbeitet, der auch Autor des jüngst angenommenen skandalösen „Gesetzes über öffentliche Versammlungen“ ist, das die Strafen für die Teilnehmer an Demonstrationen drastisch verschärft. Sein nun folgendes Gesetz ist das Anti-Orangen-Gesetz, wie man in Russland (in Erinnerung an die „Orange Revolution“ in Kiew von 2004) sagt. Dieses Gesetz legt fest, dass jede Nichtregierungsorganisation, die irgendetwas Gemeinsames mit der Politik hat und von außerhalb Russlands Geld, Ausrüstungen oder andere Unterstützung von Regierungen, Geschäftsunternehmen oder Privatpersonen erhält, sich offiziell als „ausländischer Agent“ registrieren lassen muss.

Sidyakin will die Nichtregierungsorganisationen verpflichten, dass sie in ihrer Korrespondenz, in Publikationen und bei öffentlichen Auftritten sich als aus dem Ausland finanzierte „Agenten“ ankündigen und zu erkennen geben.
Denjenigen, die das Gesetz nicht befolgen, drohen harte Strafen, Wer versucht, sich der Eintragung seiner Organisation in ein Register zu widersetzen, beispielsweise Informationen über die Unterstützung aus dem Ausland verdeckt oder verschleiert, muss mit 300 000 Rubel Bußgeld (das Jahreseinkommen eines durchschnittlichen Russen), mit Strafen bis zu 480 Stunden öffentlicher Zwangsarbeit oder bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe rechnen.

Der Staat nimmt die Ausländischen Agenten unter die Lupe, mindestens einmal im Jahr wird sie die Steuerbehörde gründlich und detailliert kontrollieren, je Quartal müssen sie einen minutiösen Bericht über ihre Finanzen veröffentlichen… (Das Gesetz ist von der Staatsduma (Unterhaus) mit 374 Stimmen von insgesamt 450 angenommen worden. Drei Abgeordnete stimmten dagegen. Es muss nun den Föderationsrat (Oberhaus) passieren, bevor es vom russischen Präsidenten unterschrieben wird.

Wie ein anonymer Informant aus der Präsidenten-Administration der Nachrichtenagentur Interfax mitteilte, können den Status von „Auslandsagenten“ etwa tausend Nichtregierungsorganisationen erhalten, darunter die Vereinigung „Golos“, die Wahlbeobachter ausbildet und schult und die gegen Korruption kämpfende „Transparency International“ sowie die Moskauer Helsinki–Gruppe, die in Russland älteste Organisation, welche die Menschenrechte verteidigt.
Der Präsidentenberater Michail Fedotow, der noch Vorsitzender des Rats für Menschenrechte und die Entwicklung der Bürgerrechte im Kreml ist, meint, dass gemäß dem Gesetz, diesem unnötigen Gesetz, auch die Russische Orthodoxe Kirche den Status Auslandsagent zuerkannt bekommen könnte. Sie hat außerhalb Russlands zahlreiche Diözesen, die dort treu und brav Geld für den Bedarf dieser Kirche sammeln, so interpretiert das der exzellente Rechtsanwalt und ehemalige Medienminister.
Das ist ein törichtes, kretinoides Antibürgergesetz. Ausgedacht haben sich das unsere regierenden Tschekisten, die wie ihr Patron Dserschinski überall Agenten und Feinde sehen, so bewertet das Gesetz von Sidyakin Alexander Simonow, der Leiter der Stiftung „Verteidigung von Glasnost“, die über die Freiheit der Medien wachen soll. „Es geht um die Brandmarkung von Organisationen, die unabhängig von der Regierung sind. Man will uns das Brandmal Auslandsagent auf die Stirn brennen. Das ist aber in den Augen der seit Jahren von den föderalen Fernsehen verdummten gewöhnlichen Russen dasselbe, was man unter einen Spion und Vaterlandsverräter versteht. Das ist widerwärtige Manipulation.

Die Organisationen, die sich für die Entwicklung der Zivilgesellschaft interessieren, erhalten Geld aus dem Ausland. Ja, aber woher soll man sonst Geld bekommen? sagte Simonow der „Gazeta Wyborcza“. Der Staat gibt für diese Ziele nichts. Das einheimische Business würde gerne Geld geben, aber die Unternehmer verstehen sehr gut, dass der Kreml jeden blitzartig in den Bankrott treiben kann, der es wagt, die Verteidiger der Menschenrechte oder die Kämpfer gegen Korruption zu unterstützen.

Die Ausgabe der Zeitung „Rossiskaja Gazeta“ vom Montag den 2. Juli 2012 schreibt, dass das Gesetz nur eine konforme Version des US-amerikanischen „Gesetzes über die Registrierung von Auslandsvertretern“ ist.

Das ist unsinnig, konterte Ludmila Alexejewa, die 85-jährige Nestorin der Bewegung „Verteidiger der Menschenrechte“ und Vorsitzende der Moskauer Helsinki-Gruppe. Im amerikanischen Gesetz ist von „Agenten“ die Rede, wenn sie Vertreter anderer Staaten oder ausländischer Firmen sind, die offiziell Lobby-Arbeit in den USA im Interesse ihrer Mandanten betreiben. Dieses Gesetz betrifft aber nicht diejenigen, die sich mit Bildungsarbeit befassen, die Verteidiger der Menschenrechte sind.

Alexejewa kündigte an, dass sie sich den Vorschriften des neuen Gesetzes nicht unterwerfen wird. „Meine Gruppe besteht seit 1976. Ausländische Finanzhilfe erhielt sie erst 17 Jahre später, also ab 1992/1993. Seit dieser Zeit kommt zu uns sehr viel Geld aus vielen Ländern. Im Lichte des neuen Gesetzes kommt wieder etwas von der Art, von Lawrentij Berija zum Vorschein, der Chef des sowjetischen NKWD war und der für die angebliche Zusammenarbeit mit jedem fremden Geheimdienst Leute bestrafen und erschießen ließ. Ich habe an den Präsidenten einen Brief geschrieben, dass es niemals erlaubt sein wird, dass meiner Organisation das Makel eines Schandmauls eingebrannt wird. Wieder wären wir Agent erst für die sowjetischen Bürger, jetzt würden wir es in den Augen der russischen Bürger sein. Ich weiß nicht, wie wir das machen werden, aber in den Dokumenten der Gruppe wird niemals die schändliche Aufschrift „Ausländischer Agent“ erscheinen.“







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