Frankafrika
Das
Gesetz des Dschungels: Die Machenschaften des frz. Atomkonzerns AREVA
in Afrika
Während
im Jahre 2011 unter hochtrabenden humanistischen Reden der 50.
Jahrestag der Unabhängigkeitserklärungen der afrikanischen Staaten
gefeiert wurde, wurde ein System immer noch aufrechterhalten,
das aus der Kolonialherrschaft stammt: die militärische,
diplomatische und finanzielle Unterstützung an Diktaturen und
autoritäre Regimes, die es mit privilegiertem Zugang zu den
Naturressourcen entgelten. Mit einer kräftigen Prise Gewalt,
Affairismus und Korruption einhergehend. Allein die Gruppe Areva
liefert ein Beispiel für die gravierende Rolle
derFrançafrique-Netzwerke, die bisher die demokratischen
Bestrebungen in Afrika immer sehr gut zu versenken wussten. Arevas
nigrische Bergwerke liefern immer noch ein Drittel ihrer sämtlichen
Produktion, während das Land immer tiefer verschuldet wird. In
Frankreich leuchtet jede dritte Ampel dank nigrischem Uran, wobei die
meisten Nigrer über keine Stromversorgung verfügen. Dabei wird
der Strom nicht im Land erzeugt, sondern aus dem benachbarten Nigeria
importiert. Der Mythos der französischen Energieunabhängigkeit hat
einen Preis. Und für diesen Preis müssen Menschen aufkommen, deren
Umwelt und Gesundheit geschädigt, die ihres Landes beraubt und um
ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft betrogen werden. Selbst das
dem Leben unentbehrliche Wasser wird verschmutzt und die räuberische
Übernutzung des Grundwassers hat rund um Arlit im nigrischen
Tuareggebiet zur Ausdehnung der Wüste beigetragen.
Dass
Ende 2011 gerade auf diesem Gelände 5 Franzosen entführt wurden,
hängt wohl einigermaßen mit der Frustration der Lokalbevölkerung
sowie mit der ungleichenVerteilung der durch den Uranabbau
erzeugten Gewinne zusammen. Doch offensichtlich wurde eine
Grunddebatte umgangen und Areva nicht im Geringsten aufs Korn
genommen. Da gibt’s doch Verträge mit zum Teil geheim gehaltenen
Bedingungen, langfristige Risiken werden abgeleugnet - beides seit
jeher angewöhnte Methoden der Bergbauindustrie. Klingt
unwiderstehlich an die Gewinnung des Schieferöls und -gases an, die
man uns gerne aufzwingen möchte. Eines sollten wir bedenken: der
Markt kennt keine Grenzen. -Golias
Seit
das letzte französische Uranbergwerk im Jahre 2001 geschlossen
wurde, ist Afrika für die französischen Kernkraftwerke
unentbehrlich. Mit der Unterststützung ihres Mehrheitsaktionärs -
der frz. Staat - geht dort die Gruppe Areva nach wie vor
einträglichen Tätigkeiten nach, vom Schweigegesetz geschützt
und unter Einmischung von Regierungspolitikern. Aber auf Kosten der
Umwelt sowie der Bevölkerungen, denen das Geschäft teuer zu stehen
kommt.
Die
Areva-Gruppe, die in ungefähr 100 Ländern aktiv ist, meistert
sämtliche Gebiete der Atomindustrie: Uranabbau, -anreicherung und
-wiederaufbereitung, Engineering, Erstellung von Reaktoren und
Kontrollsystemen, Wartung. Dieses „Glanzstück der
französischen Industrie“ entstand am dritten September 2001 aus
dem Zusammenschluss zweier hochwichtigen Akteure des
Kernkraftsektors: die COGEMA (Allgemeine Gesellschaft für
Kernkraftstoffe), welche 1976 ihre Tätigkeit im Gebiet Uranabbau und
-anreicherung der CEA (staatliche Stelle für Kernkraft) übertrug;
und Framatome, der sich seit 1958 auf die Herstellung von Heizkesseln
für Kernkraftwerke spezialisiert hatte. So war alles in Gang gesetzt
zur Fortsetzung der Uranindustrie, mit der Unterstützung des
französischen Staats und der Netzwerke der „ Françafrique “
(siehe
Interview von Raphaël Granvaud)
sowie gut eingespielten Methoden. Die Geschichte der Gruppe läuft
aber nicht auf 2001 zurück, sondern erscheint vielmehr als die
Fortsetzung der Kernkraftentwicklung in Frankreich und der
Institution, die mit deren Förderung beauftragt war: der CEA, zu dem
Charles de Gaulle schon 1945 anregte, mit dem Ziel, Frankreich mit
der Atomwaffe zu versehen. Hiermit wurden die Kernrohstoffe zur
Priorität, und Frankreich nahm sich Afrika zu Hilfe. Wie sich aber
später herausstellen sollte, birgt die zur Stromerzeugung bestimmte
zivile Kernindustrie andre Gefahren in sich, und wird der Bevölkerung
der Erzeugerländer entsprechende Schäden zufügen.
Die
erste beträchtliche Uranlagerstätte wurde 1956 in Mounana (Gabun)
aufgefunden. Gabun war damals eine französische Kolonie des
Äquatorialafrikas. 1961 beginnt die Erschließung; sie wird fast 40
Jahre lang fortgesetzt werden, manchmal unter der Drohung von
Waffengewalt, so z.B. 1965, als Bergleute nach einem tödlichen
Unglück einen Streik anfingen. Insgesamt wurden über 26000 Tonnen
des kostbaren Erzes gewonnen - was Spuren hinterließ.
Die
Bevölkerung lebt immer noch zusammen mit den radioaktiven
Auswirkungen des Uranerzes: durch Einatmung der Luft, Verspeisung von
Nahrungsmitteln und Wasserverbrauch, auch weil viele Wohnungen mit
dem Anschüttungsmaterial des geschlossenen Bergwerks gebaut
wurden. Außerdem wurden 2 Millionen Tonnen radioaktiver Abfälle in
die Wasserläufe ausgeschüttet und weitere 4 Millionen in
die nun geschlossenen, früher durch die COMUF - Gesellschaft der
Uranbergwerke von Franceville, die gabunische Filiale der
COGEMA und „Vorfahre“ von Areva - betriebenen Bergwerke
ausgekippt: „13 Jahre nach der Schließung des Mounanageländes
leiden die Anrainer und ehemaligen Bergleute immer noch unter den
Folgen des Uranabbaus“ - so Bruno Ondo, Ex-Diözesanleiter von
Caritas. „Die radioaktiven Zonen befinden sich in Gebieten, wo
die Menschen den Maniok einweichen, fischen, und in der Nähe ihrer
Wohnungen. Für die realen Kosten des Uranabbaus muss in Wirklichkeit
die einheimische Bevölkerung aufkommen.“ Als Beistand bei der
Strahlenschutzaufsicht in Mounana hatte die COMUF den französischen
Labor Algade, eine Ex-Filiale der Cogema, beauftragt, und zwar unter
Kontrolle der CNPPRI (Nationales Zentrum für Strahlenschutz). Es hat
sich aber herausgestellt, dass das 2008 vorgelegte Risikoszenario der
COMUF die Realität verharmlost: es entspricht nicht dem Bericht des
CNPPRI; nicht alle Strahlenbelastungen werden in Betracht gezogen.
Bruno Ondo weiter behauptet: „Über den Strahlenschutz werden
wir auf inakzeptable Weise unzureichend informiert. Seit 10 Jahren
wird dessen Aufsicht von der COMUF und dem CNPPRI geführt,
aber weder den lokalen Behörden noch der betroffenen Bevölkerung
wurden deren Resultate zur Verfügung gestellt. Deshalb werden
beruhigende Mitteilungen mit Recht als verdächtig angesehen.“
Das passt in die längst eingesessene Tradition Arevas, die durch
Omertà und Verachtung der Bevölkerung gekennzeichnet ist.
Für
die realen Kosten des Uranabbaus muss in Wirklichkeit die
einheimische Bevölkerung aufkommen
In
Niger begann der Abbau im Jahre 1966 in Arlit. Der Ort liegt zwischen
der Saharawüste und dem Sahel, in der Region von der Hauptstadt des
Tuaregvolkes Agadez, und dort wurden bis heute über 100 000 Tonnen
Uranerz gewonnen. 2008 betrug der Umsatz von Areva 13,2 Milliarden
Euro, d.h. 5mal das BIP von Niger. Auf Umwelt-,
gesundheitlicher und sozialer Ebene handelt es sich aber für
die ehemalige französische Ex-Kolonie um eine echte Katastrophe.
Massiv angehäufte Abfälle, Boden-, Wasser- und Luftverschmutzung...
„Wir setzen alles ans Werk, um die Strahlenaussetzung
möglichst zu beschränken“ - behauptet Areva („Unsere
10 Verpflichtungen“), und beruft sich auf einen Bericht des
INRS (Institut für Strahlenschutz und Kernenergiesicherheit), eine
Stelle, die mehrmals angeprangert wurde wegen ihrer Abhängigkeit von
der französischen Exekutive. Die gesundheitliche Pflege wird von
Areva übernommen, und seltsamerweise finden die Ärzte keine
Pathologien auf, die mit Bestrahlung im Zusammenhang stehen. Auch
werden die Grundwässer mit Ausschöpfung bedroht, da Areva das
Grundwasser von Tarat mitten in der Wüste herauspumpt.
Seit
1966 wurden in Arlit und Akokan, der anderen Bergbaustadt, 270
Milliarden Liter Wasser verbraucht, und heute werden noch täglich
Millionen Liter verwendet. Weltweit ist Niger der fünftgrößte
Uranerzeuger, gehört aber zu den ärmsten Ländern und dort erreicht
die Lebenserwartung kaum 50 Jahre. Der jährliche Gewinn
von Areva liegt um 770 Millionen Dollar, der nigrische Staatshaushalt
aber nur bei 320 Millionen.
Die
Industriefirma Areva ist in 43 Ländern vorhanden und ihr
Geschäftsgebiet umfasst an die 100 Länder. Wie es aber die
unersättliche Profitlogik verlangt hat sie 2007 die kanadische
Gesellschaft Uramin, die ihr neue afrikanische Lagerstätten
erschloss, zu einem schwindelnd hohen Preis (2,5 Milliarden Dollar)
erstanden. Uramin, als Areva Resources Southern Africa umgetauft,
wurde in den britischen Jungferninseln registriert - ein
Offshore-Finanzplatz und –Rechtsgebiet -, welche zu den
undurchdringlichsten und schädlichsten zählen. Dabei gibt sich
Areva doch für „über jeden Verdacht erhaben“? Merkwürdig.
Übrigens war erstaunlicherweise der Wert der Uramin-Aktien im
Halbjahr vor dem Areva-Angebot ums Vierfache gestiegen... Daher
erschien das Geschäft verdächtig und Anne Lauvergeon, seit 2001
Generaldirektorin der Firma, musste im Juni 2011 aus dem Amt
scheiden. Nebenbei bemerkt hatte Areva gerade ihr jenen Namen
zu verdanken, und zwar als eine Anspielung auf die spanische Abtei
Arevalo. Ihre mystische Seite hat sie uns bis zum Ende verhehlt. Darf
man wohl sagen. Vorläufig ist - angeblich infolge der
Schwierigkeiten, die Fukushima auf den Märkten verursacht, der Kauf
von Uramin auf Eis gestellt, sowie auch die Bergbaupläne von Areva
in Zentralafrika, Namibia und sogar im nigrischen Imamouren - eine
jedoch viel versprechende Lagerstätte, weshalb die Staatschefs eine
Wut kriegten. Dafür stärkt Areva ihre Positionen
in Kasachstan, Jordanien, Marokko oder auch in der Mongolei.
Im
Jahre 2007 flog der französische Präsident Nicolas Sarkozy auf
Besuch nach Tripoli. Offiziell zur „ Verstärkung der
Beziehungen zwischen beiden Staaten.“ Dabei wurden aber
geheim gehaltene militärische Verträge geschlossen und darüber
hinaus versprach Frankreich, Gaddafi mit einem Areva-Kernkraftreaktor
zu beliefern, offiziell zur Entsalzung von Meerwasser. Wie es aber
Jacques Attali in seinem Buch Economie et apocalypse, trafic
et prolifération nucléaire (Fayard, 1995)schrieb, “ist eine
triftige Unterscheidung zwischen Militär- und zivilen Kernrohstoffen
unmöglich. (...) Da fast alle Technologien in beiden Bereichen
angewendet werden können, kann man alle Know-hows oder Technologien
verkaufen, und sich dabei den Anschein geben, als würde man an die
friedlichen Absichten des Käufers glauben.“ Und immer noch werden
Kernkraftwerke verkauft...
Laut
einem Bericht, der am 20. April 2011 von der Delegation für
strategische Angelegenheiten an das Verteidigungsministerium
überreicht wurde „ könnten in 30 Jahren ungefähr 20 Staaten über
die Atomwaffe verfügen.“ Angesichts der sich rasch
anhäufenden, mit der Kernenergie zusammenhängenden Risiken und der
Destabilisierung und stets massiveren Verschuldung der Afrikastaaten
sollte eine breite Mobilisierung entstehen gegen die Strategie
Arevas, immerhin ein Unternehmen, das sich zu 80% im Besitz des
französischen Staates befindet.
Fokus
Uranbergwerke
sind tödlich
Jede
Tonne verwendbaren Uranerzes benötigt bis zu 2000 Tonnen
radioaktiven Aushubs, der in die Umwelt ausgeschüttet wird. Durch
das Radon, ein radioaktives Gas, das beim Abbau ausgeschieden wird,
wird die Gesundheit der Bergleute und AnrainerInnen der
Bergbaugelände beeinträchtigt. Deutschland liefert dafür ein
typisches Beispiel mit der Nutzung der Wismut-Bergwerke.
Infolge der starken radioaktiven Verseuchung wurde dort eine
besonders hohe Anzahl Krebse festgestellt. Es wurden nicht weniger
als 7000 Lungenkrebserkrankungen bestätigt und die anerkannten Opfer
des Uranabbaus werden auf mindestens 20 000 geschätzt.
In
Afrika kann die Anzahl der Opfer schwer eingeschätzt werden
angesichts der fehlenden Statistiken und des herrschenden
Schweigegesetzes. Die gesundheitlichen Folgen sind aber katastrophal.
Während Areva behauptet, auf dem Arlit-Gelände in Niger eine
Entseuchung vorgenommen zu haben, erwies sich anlässlich einer
Analyse von Proben durch den CRIIRAD (Unabhängige
Forschungskommmission für Radioaktivität), dass deren
Radioaktivität die natürliche Radioaktivität ums 2000fache
überstieg. Bei der Nutzung des riesigen Tagebaus von Imamouren,
dessen Erschließung seit 2009 immer wieder hinausgeschoben wird,
wäre es genau das Gleiche wie in Arlit, nur, dass dessen Umfang
alles noch schlimmer machen würde. Areva scheint eine Rückkehr nach
Gabun in Betracht zu ziehen; dort hat die Nutzung der
Manouna-Bergwerke Spuren hinterlassen, unter denen die Bevölkerung
heute noch leidet.
In
Zentralafrika liegt das Nutzungsprojekt des Bakuna-Bergwerks,
das 2007 nach dem Kauf von Uramin wieder aufleben sollte, auf
Eis, sowie auch in Namibia, ein Land, wo sich Frankreich bereits mit
Aluminium versorgt hatte, als es vom südafrikanischen
Apartheidregime kolonisiert war... in totalem Widerspruch mit den
UNO-Resolutionen und der Verurteilung durch den Internationalen
Gerichtshof von Handelstransaktionen, die jene Besetzung anerkennen
würden. Zynismus und Umgehung der Gesetze und der
Sicherheitsvorschriften sind wirklich nichts Neues.
Auf
dem namibischen Trekkopje-Gelände ist der Urangehalt sehr niedrig
und Hundertmillionen Felsbrocken müssten eine chemische Behandlung
erfahren; je niedriger die Urankonzentration des Erzes, umso höher
die Verschmutzung. Sollte eines der größten Tagebaubergwerke
tatsächlich genutzt werden, müssten wir auf ein neues Umwelt- und
gesundheitliches Desaster gefasst sein.
Uranium:
die beerdigte Debatte-Interview
mit Raphaël
Granvaud
In
diesem Interview vernichtet Raphaël Granvaud den Mythos der
Energieunabhängigkeit und erklärt, unter welchen Verhältnissen
Frankreich und Areva sich - vor allem in Afrika - Uranerz
verschaffen. (1) Mit dem Buch „ Areva en Afrique, une face
cachée du nucléaire français (Areva in Afrika, die Schattenseite
der französischen Kernenergie)“(2) legt uns das Mitglied der
Organisation „Survie“ ein gut dokumentiertes und unnachgiebiges
Werk über die Einmischung der französischen Politik und deren
Folgen vor.
In
Ihrem Buch beweisen Sie, dass Frankreichs energetische Unabhängigkeit
nur ein Mythos ist. Anhand welcher Elemente begründen Sie das?
Raphaël
Granvaud: Seit 40 Jahren kehrt das Leitmotiv von Frankreichs
Energieunabhängigkeit dank der zivilen Kernenergie tatsächlich
immer wieder in den politischen Reden, und dieser Mythos ist ganz
besonders zäh. Die offizielle Energieunabhängigkeitsquote wird
anhand diverser Manipulierungen der Statistik gerechnet; die
wichtigste besteht darin, dass Uranimporte - im Unterschied zu Gas
oder Öl - nicht als Energieimporte, sonder bloß als Rohstoffimporte
verbucht werden.
Aber seit das letzte französische Uranbergwerk 2001 geschlossen
wurde, wird das gesamte in unseren Kernkraftwerken verbrauchte Uran
importiert. Und selbst früher wurde vorherrschend importiertes Uran
gebraucht. Historisch gesehen wurde Uran zuerst aus Afrika
importiert, anfangs aus Gabun, dann aus Niger. Zwar nutzt Areva
derzeit andere Lagerstätten weltweit, allerdings stammt immer
noch ein Drittel ihrer Produktion aus Niger. Unter solchen
Verhältnissen darf von Energieunabhängigkeit nur die Rede sein,
wenn angenommen wird, dass die Bodenschätze der ehemaligen
französischen Kolonien sich immer noch im französischen Besitz
befinden. Auch unterschlägt eine solche Haltung, welche Rolle
der afrikanischen Uran gespielt hat in der Geschichte der
französischen Kernenergie - die ich in diesem Buch zu
vergegenwärtigen versuche.
Können
sie die politischen Verhältnisse besser ins Licht rücken, unter
welchen Frankreich und Areva sich das zur Entwicklung der zivilen und
militärischen Kernenergie nötige Uran verschaffen konnten?
Um
nach den afrikanischen Unabhängigkeitserklärungen seine
Energieversorgung zu sichern, hat Frankreich in Gabun und Niger
autoritärste, dafür den eigenen strategischen Interessen gegenüber
ganz besonders wohlgesinnte Regimes eingesetzt. In Gabun herrschte
lange Omar Bongo, auf den der eigene Sohn neulich gefolgt ist. In
Niger setzte Frankreich zuerst Hamani Diori an die Macht, nachdem es
sich den Anführer der Unabhängigkeitsbewegung Bakary Djibo vom Hals
geschafft hatte. Als Hamani Diori 1974 den Uranpreis neu
verhandeln wollte, wurde er sehr gelegen umgestürzt, und zwar von
Offizieren, die in dem französischen Kolonialheer geschult worden
waren. 1996 wurde von Frankreich wieder ein militärischer
Staatsstreich gesponsert, knapp nachdem die Nigrer sich eine
Zivilregierung neu erobert hatten. Und als vor kurzer Zeit -
2007-2008- der Uranpreis auf dem Weltmarkt sehr hoch stand, kam es zu
einer Kraftprobe zwischen dem Regime von Mamadou Tandja einerseits
und Areva und dem frz. Staat andererseits. In einer gewissen Hinsicht
erinnerte die Sachlage an die von 1974, da der nigrische Staat wieder
von Frankreich eine erhebliche Aufwertung des Uranpreises
forderte. Diesmal hat Areva aber hinsichtlich des Preises z.T.
nachgegeben - weil die Firma es auf Afrikas größte Unranlagerstätte
in Imamuren abgesehen hatte und sich vor der chinesischen Konkurrenz
fürchtete. Damit Areva den Sieg davontrug, flog Sarkozy zuerst nach
Niger und erteilte seinen Segen dem Verfassungsstaatstreich, den
Mamadou Tandja plante, um sich nach Ablauf seines zweiten Mandats an
der Macht halten zu können. Nachdem Frankreich die Lagerstätte
erstanden hatte, rührte es sich nicht, als Tandja durch einen
zweiten Staatsstreich umgestürzt wurde... Nach 40 Jahren Einmischung
des frz. Staates in Nigers innere Angelegenheiten steht Eines
fest: nur ein kleiner Teil des Uranwertes ging an den
nigrischen Staat und außerdem hat nicht die Bevölkerung davon
profitiert-, sondern die Affairisten der Militärregimes, die von
Frankreich unterstützt wurden und die Staatsschuld vergrößert
haben und das Land im Elend gehalten.
Auf
welche Netzwerke und Relais stützt sich Areva zur Verwirklichung
ihrer industriellen Zielsetzungen?
Von
Anfang an waren die Hauptakteure der Kernenergieentwicklung und die
des neokolonialen Systems, das nach den afrikanischen
Unabhängigkeitserklärungen eingesetzt wurde, z. T. die gleichen. De
Gaulle gründete den CEA und parallel - zusammen mit Foccart -
stiftete er das an, was nun als Françafrique bezeichnet wird.
Pierre Guillaumat, der Urheber des frz. Atomprogramms, wurde dann der
erste Präsident der Schlapphüte-Ölfirma Elf... Heute bleibt nach
wie vor das fr. Staatsoberhaupt der erste Marketer für Kernenergie,
ganz gleich, ob Zueignung von Lagerstätten oder Andrehung
von Kraftwerken. Auch zögert Areva nicht davor, die „radioaktivsten“
Elemente seiner Netzwerke der Françafrique zu recyceln, um ihre
Positionen zu sichern, wenn sie Schwierigkeiten begegnet, oder um
neue zu erobern. In Niger z.B., als es zu einer Krise kam
zwischen Mamadou Tandja und Areva, hat Letztere Persönlichkeiten
hinzugezogen, die Erfahrung mit der Paralleldiplomatie hatten. Als
eine neue rebellische Bewegung mit einem starken Anteil an
Tuaregs, die Nigrische Bewegung für Gerechtigkeit, eben
auftaucht, rekrutiert sie z.B. den Obersten Denamur, einen ehemaligen
Militärattaché der frz. Botschaft in Niger. Auch setzt Areva
Dominique Pin an die Spitze ihrer Aktivitäten in Niger: jener
Diplomat ist ein früheres Mitglied der Afrikazelle der frz.
Präsidentschaft. Beide Individuen wurden in Niger schnell für
„persona non grata“ erklärt - etwas nie Dagewesenes in
einer frz. Ex-Kolonie - und beschuldigt, undurchsichtige
Beziehungen mit der Bewegung für Gerechtigkeit angeknüpft zu haben.
Auch sonst wo wurden besonders widerliche Elemente aus den Netzwerken
der Françafrique recycelt; so z.B. wurde von Areva ein Terzett
Vermittler zur Erstehung gewisser Lagerstätten in Zentralafrika oder
in der Demokratischen Republik Kongo eingesetzt: Patrick Balkany, der
mit Sarkozy eng befreundete Abgeordnete von Levallois-Perret, dessen
politischen Karriere genau wie die von Sarkozy im Fahrwasser
von Charles Pasqua begann; der belgische Geschäftsmann Georges
Forrest, französischer Honorarkonsul in Lumumbashi Spitzname
„Vizekönig von Katanga“; Fabien Singaye, ein ehemaliger
ruandischer Spion mit Verbindungen zur Bande, die in
Ruanda den Tutsi-Völkermord geplant hat....
Wie
erklären Sie Arevas Kommunikationsstrategie?
Arevas
Kommunikationsstrategie - die Realität bis ins Absurde abzuleugnen -
lässt sich leicht erklären. Uranabbau ist eine besonders
gefährliche Aktivität. Jede Bergwerkindustrie ist
umweltverschmutzend und im Allgemeinen kümmert man sich wenig um die
lokale Bevölkerung. Beim Uranabbau kommen aber auch die
spezifischen, mit der Radioaktivität zusammenhängenden Risiken
hinzu, welche absichtlich verheimlicht wurden. Hier haben wir mit
einer zum Kernkraftgebiet gehörenden Tätigkeit zu tun, die
ausschließlich zu Rentabilitätszwecken nicht als solche anerkannt
wurde. Uranabbau hat Boden, Wasser und Luft unwiederbringlich
verschmutzt. Die Bevölkerung wird mit verseuchtem Wasser
versorgt, auch verwendet sie radioaktives Altmetall für ihren
täglichen Brauch wieder. So wird die ganze Region langsam, aber
sicher vergiftet, und Areva möchte selbstverständlich nicht, dass
diese Tatsache ihre Image sowie die der Kernenergie in ein übles
Licht rückt. Als erste betroffen werden natürlich die Bergleute,
denen man die Risiken sehr lange versteckt hat - die ersten
elementaren Schutzmaßnahmen wurden erst in den Neunzigern
getroffen. Im Laufe von 40 Jahren Nutzung hat Areva aber keinen
einzigen Verseuchungsfall, Krebs oder sonstige Pathologie als
Berufskrankheit anerkannt. Hier wurde ein
greifbares Schweigegesetz eingeführt.
Wie
kann man Schluss machen mit dem „Areva-System“?
Ich
maße mich nicht an, in meinem Buch eine einfache Lösung
vorzuschlagen. Nur hoffe ich, dass es zur Stärkung der Argumente der
Atomkraftgegner beitragen kann, sofern es die politischen,
gesellschaftlichen sowie Umwelt- und Gesundheitsschäden in
Betracht zieht, die Areva in Afrika mit dem Uranabbau verursacht.
Derzeit liegen noch 80% des Areva-Kapitals in staatlicher Hand.
Ihre Politik wird also von den Staatsbevollmächtigten
genehmigt, welche die frz. StaatsbürgerInnen mit Recht
zur Rechnung ziehen dürfen und gegen welche sie mobil machen
können. Ebenfalls muss die Verbindung mit den Bewegungen
gestärkt werden, ihre Forderungen erfahren hinsichtlich besserer
Sicherheitsbedingungen, Vergütungen für die erlittenen Schäden,
Wiederzueignung der nationalen Reichtümer, Transparenz der
Kapitalflüsse usw. Dies setzt sich zum Ziel das Kollektiv „ Areva
ne fera pas la loi au Niger (Areva wird in Niger nicht
schalten und walten)“(3). Ich für mein Teil halte den
Atomausstieg für das einfachste und sicherste Mittel, dieser Politik
der Ausplünderung und der Einmischung, die „Energieunabhängigkeit“
getauft wurde, ein Ende zu setzen. Selbstverständlich steht der
nigrischen Bevölkerung die Entscheidung zu, ob die Nutzung ihres
Bodens fortgeführt werden soll oder nicht, wir aber müssen fordern,
dass diese Debatte durch Areva und den frz. Staat nicht mehr beerdigt
wird.
Noten
(1) Der
1984 ins Leben gerufene Verein „Survie“
prangert
die weiter bestehenden neokolonialen Verknüpfungen zwischen
Frankreich und dessen afrikanischen „ehemaligen“ Kolonien. Ziel
von Survie ist es, andere Beziehungen zu fördern, welche die
Souveränität der verschiedenen Staaten und die Wahl der
Bevölkerungen achten.
(2) „
Areva en Afrique, une face cachée du nucléaire français - Areva
in Afrika, eine Schattenseite der frz.Kernenergie.“ Autor: Raphaël
Granvaud, 2012 von Agone herausgegeben, Preis: 14 Euro.
(3) Das
französische Kollektiv „Areva
ne fera pas la loi au Niger“
wurde 2008 ins Leben gerufen zur Unterstützung der
Bevölkerungen, die vom Uranabbau betroffen werden sowie Anprangerung
der katastrophalen Folgen unserer energiepolitischen Entscheidungen:
die radioaktive Umweltverseuchung. Die Kampagne des Kollektivs setzt
sich zum Ziel, Frankreich, die Europäische Union und die
internationale Gemeinschaft zur Verantwortung zu ziehen.
Raphaël
Granvaud
Areva en Afrique
Une
face cachée du nucléaire français
Préface d’Odile
Tobner
Parution : 16/02/2012
ISBN :978-2-7489-0156-6
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