Mittwoch, 28. Juli 2010

Landessozialgericht NRW: Leistungen für Asylbewerber sind verfassungswidrig


Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) hat gestern beschlossen, dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Essener Richter halten die Leistungen, die seit Schaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes 1993 nicht angehoben worden sind, für verfassungswidrig. Im Vergleich zu den Leistungen nach dem SGB II („Hartz-IV“) reichten sie offensichtlich nicht aus, um eine menschenwürdige Existenz zu gewährleisten. Zudem seien die Leistungen nicht in einem Verfahren bemessen worden, wie es das Bundesverfassungsgericht verlange, sondern „ins Blaue hinein“ geschätzt worden.
Die Essener Richter hielten die dem Kläger zustehenden Leistungen von monatlich 224,97 € für verfassungswidrig. Sie beriefen sich zur Begründung auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Hartz-IV-Regelleistungen vom 09.02.2010 (Az. 1 BvL 1/09, 3/09 und 4/09). Das Verfassungsgericht hat darin ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums formuliert. Das LSG entschied, der Gesetzgeber habe den Leistungsbedarf nicht in einem Verfahren bemessen, welches den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an eine solche Bemessung stellt, entspricht. Er sei vielmehr "ins Blaue hinein" geschätzt worden. Bei einem so deutlichen Abweichen der Leistungen für Asylbewerber von den Hartz-IV-Leistungen könne zudem davon ausgegangen werden, dass die Leistungen offensichtlich nicht ausreichten, um das menschenwürdige Existenzminimum sicherzustellen.
Weil es das zu Grunde liegende Gesetz für verfassungswidrig hält, hat das Landessozialgericht das Klageverfahren ausgesetzt und die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Bedarfssätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt. Sollte sich das Bundesverfassungsgericht der Ansicht der Essener Richter anschließen, müsste der Gesetzgeber die Höhe der Sätze nach dem Asylbewerberleistungsgesetz neu regeln.
(Beschluss vom 26.07.2010, Az. L 20 AY 13/09)

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