Die
Schuldknechtschaft zerstörte Rom, sie wird uns zerstören, wenn sie
nicht angehalten wird
Demokratie
und Verschuldung: ist die Verbindung gebrochen worden?
Übersetzt
von Michael
Bischoff
Die
Weltgeschichte beweist: Interessen von Gläubigern sind nicht die der
Demokratie. Bankenrettungen führen in die Oligarchie. Der
Finanzsektor betreibt eine neue Art der Kriegsführung.
Im
fünften Buch seiner „Politik“ beschreibt Aristoteles den ewigen
Wechsel der Oligarchien, die sich zu erblichen Aristokratien
aufschwingen, um dann ihrerseits von Tyrannen hinweggefegt zu werden
oder intern zu rivalisieren, wenn einige Familien beschließen, „die
Menge auf ihre Seite zu ziehen“. Dadurch entsteht Demokratie, in
der dann wieder eine Oligarchie entsteht, auf die abermals
Adelsherrschaft und Demokratie folgen, und so weiter.
Das
wichtigste dynamische Element hierbei bilden von jeher die Schulden.
Sie polarisieren den Reichtum und lassen eine Klasse von Gläubigern
entstehen, deren oligarchische Herrschaft ein Ende findet, wenn neue
Führer das Volk für sich gewinnen, indem sie die Schulden erlassen
und das Eigentum neu verteilen oder es dem Staat überantworten.
Seit
der Renaissance verlagerten die Bankiers ihre politische
Unterstützung auf Demokratien. Das war ein Ausdruck des Wunsches
nach größerer Sicherheit für ihre Kredite. Wie James Steuart 1767
erklärte, waren die vom König aufgenommenen Kredite keine
Staatsschulden im eigentlichen Sinne, sondern blieben eher
Privatangelegenheit. Wenn die Schulden eines Souveräns bindend für
eine ganze Nation werden sollten, mussten gewählte Repräsentanten
Steuern beschließen, aus denen die Zinsen gezahlt wurden.
Kriegsführung
mit finanziellen Mitteln
Als
die holländische und die britische Demokratie dem Steuerzahler diese
Stimme in der Regierung des Landes einräumten, statteten sie die
Gläubiger mit weitaus sichereren Ansprüchen aus als Könige oder
Fürsten, deren Schulden mit ihnen starben. Doch die Proteste, die
wir im Kontext der Schuldenkrise von Island bis Griechenland und
Spanien erleben, legen den Gedanken nahe, dass die Gläubiger dabei
sind, den Demokratien ihre Unterstützung zu entziehen. Sie
verlangen, dass der Staat spart, und fordern sogar die Privatisierung
staatlichen Vermögens. Damit verlegt sich die internationale
Finanzwelt auf eine neue Art von Kriegsführung, die dasselbe Ziel
verfolgt wie in früheren Zeiten die militärische Eroberung: die
Aneignung von Land und Bodenschätzen, die Übernahme staatlicher
Infrastruktur und die Erhebung von Tributzahlungen.
Die
Demokratien reagieren darauf mit der Forderung nach Volksabstimmungen
über die Frage, ob man die Gläubiger durch den Verkauf öffentlichen
Eigentums und durch Steuererhöhungen auszahlen soll, obwohl dies zu
Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhnen und wirtschaftlicher Depression
führt. Die Alternative besteht darin, die Schulden abzuschreiben
oder gar zu annullieren und die Regulierung der Finanzmärkte zu
verstärken.
Herrscher
im antiken Nahen Osten verkündeten einst einen Schuldenerlass, um
das wirtschaftliche Gleichgewicht zu bewahren. Die Erhebung von
Zinsen auf Vorschüsse an Gütern oder Geld diente ursprünglich
nicht dem Ziel einer Polarisierung der Wirtschaft. Als sumerische
Tempel und Paläste Anfang des dritten vorchristlichen Jahrtausends
dieses vertragliche Arrangement erstmals mit Kaufleuten und
Unternehmern trafen, die in aller Regel innerhalb der königlichen
Bürokratie arbeiteten, sollten Zinssätze von zwanzig Prozent ihnen
einen gerechten Anteil an den Einnahmen aus dem Fernhandel oder der
Pacht von Land und anderen staatlichen Besitzungen wie Werkstätten,
Schiffen und Wirtshäusern sichern.
Als
königliche Einnehmer von Nutzungsentgelten und Pachtzinsen die
Praxis privatisierten, stellte man agrarische Schuldner unter den
Schutz des „Gottkönigtums“. Nach dem Codex Hammurabi (um 1750
vor Christus) wurden ihnen die Schulden bei Überschwemmungen und
Dürre erlassen. Alle Herrscher dieser babylonischen Dynastie
verkündeten bei ihrem Amtsantritt einen Schuldenerlass für
agrarische Schuldner, um alle Zahlungsrückstände zu beseitigen und
tabula rasa zu machen. Leibeigene, Boden- oder Ernterechte und andere
Ansprüche fielen an den Schuldner zurück, um die Ordnung im Sinne
eines „ursprünglichen“ Gleichgewichts wiederherzustellen.
Der
Sinn davon lag auf der Hand. Antike Gesellschaften brauchten Heere,
um ihr Land zu verteidigen, und dazu mussten verschuldete Bürger
entschuldet werden. Der Codex Hammurabi schützte Streitwagenlenker
und andere Krieger vor der Schuldknechtschaft und hinderte Gläubiger,
ihre Hand auf die Ernten von Pächtern zu legen, die königliches
oder sonstiges staatliches oder kommunales Land bewirtschafteten und
dem Palast persönliche oder militärische Dienste schuldeten.
Weil
im Nahen Osten Paläste, Tempel und deren Steuereinnehmer die
Hauptgläubiger waren, fiel es politisch nicht schwer, Schulden zu
erlassen. Es ist immer leicht, Schulden zu erlassen, wenn man selbst
der Gläubiger ist. Auch römische Kaiser verbrannten gelegentlich
die Steuerverzeichnisse, um eine Krise zu vermeiden. Sehr viel
schwieriger war es, Ansprüche privater Gläubiger zu annullieren,
als die Praxis des Verleihens gegen Zinsen sich seit etwa 750 vor
Christus auch nach Westen in den Mittelmeerraum hinein ausbreitete.
Statt Familien die Möglichkeit zu geben, Lücken zwischen Einnahmen
und Ausgaben zu überbrücken, wurden Schulden zum wichtigsten
Instrument der Enteignung von Land und spalteten die Gemeinschaft in
Gläubigeroligarchien und verschuldete Klienten.
Gläubigermacht
und stabiles Wachstum gingen nur selten miteinander einher. Die
meisten persönlichen Schulden bestanden in der Antike aus kleinen
Darlehen an Menschen, die am Rande der Subsistenz lebten und nicht
über die Runden kamen. Der Verlust von Land und Vermögen - wie auch
der persönlichen Freiheit - zwang Schuldner in eine Knechtschaft,
aus der sie sich nicht mehr befreien konnten. Im siebten Jahrhundert
vor Christus erhoben sich „Tyrannen“ (Volksführer) und
überwältigten die Aristokratien in Korinth und anderen reichen
griechischen Städten, wobei sie sich die Unterstützung des Volkes
durch einen Schuldenerlass sicherten. Auf weniger tyrannische Weise
gründete Solon 594 vor Christus die athenische Demokratie durch ein
Verbot der Schuldknechtschaft. Doch erneut entstanden Oligarchien und
riefen Rom zu Hilfe, als Spartas Könige Agis, Kleomenes und deren
Nachfolger Nabis Ende des dritten vorchristlichen Jahrhunderts
versuchten, die Schulden zu erlassen. Sie wurden getötet und ihre
Anhänger aus der Stadt vertrieben. Es gehört seit der Antike zu den
geschichtlichen Konstanten, dass die Interessen von Gläubigern in
Widerspruch zu denen der Demokratie wie auch des Königtums gerieten,
die in der Lage gewesen wären, der finanziellen Eroberung der
Gesellschaft und einer nahezu autonomen Dynamik Grenzen zu setzen,
welche den ökonomischen Überschuss in zinstragende Schuldtitel
verwandelte.
Als
die Brüder Gracchus und deren Anhänger 133 vor Christus versuchten,
das Kreditrecht zu reformieren, reagierte die herrschende
Senatorenklasse mit Gewalt, tötete sie und eröffnete damit ein
Jahrhundert der Bürgerkriege. Der unerbittlichste Schuldeneintreiber
der Antike war Rom, dessen Gläubiger sich in Kleinasien, der
reichsten Provinz des Reiches, wie eine Plage ausbreiteten. Es gab
fast keinerlei Rechtssicherheit mehr, wenn Gläubiger aus Rom
eintrafen. Von den führenden römischen Geschichtsschreibern führten
Livius, Plutarch und Diodor bei der Behandlung des ein Jahrhundert
währenden, von politischen Morden gekennzeichneten Bürgerkriegs den
Untergang der Republik auf die Unnachgiebigkeit der Gläubiger
zurück. Populistische Führer versuchten Anhänger zu gewinnen,
indem sie sich für einen Schuldenerlass einsetzten, zum Beispiel in
der Verschwörung des Catilina 63/62 vor Christus. Sie wurden
getötet. Im zweiten nachchristlichen Jahrhundert befand sich bereits
ein Viertel der Bevölkerung in Leibeigenschaft, im fünften
Jahrhundert brach die römische Wirtschaft aufgrund von Geldmangel
zusammen. Auf dem Lande kehrten die Menschen zur Subsistenzwirtschaft
zurück.
Als
das Bankwesen sich erholte, schwand der christliche Widerstand gegen
die Vereinnahmung von Zinsen durch das Zusammenwirken angesehener
Geldverleiher und ihrer größten Kunden, der Könige - zunächst, um
die Kirche zu finanzieren, und dann zunehmend, um Kriege zu führen.
Doch die königlichen Schulden verfielen, wenn der König starb. Die
Bardi und die Peruzzi gingen 1345 bankrott, als Eduard III. sich
weigerte, seine Kriegsschulden zu begleichen. Die Despoten der
Habsburger und Bourbonen auf den Thronen Spaniens, Österreichs und
Frankreichs blieben anderen Bankiersfamilien die Rückzahlung
gewährter Kredite schuldig.
Die
Lage veränderte sich mit der holländischen Demokratie. Da das
holländische Parlament Staatsanleihen begeben durfte, konnten die
Niederlande in einem Zeitalter, in dem Geld und Kredit im Krieg eine
entscheidende Rolle spielten, Kredite aufnehmen, um Söldner zu
bezahlen. So war denn, wie Richard Ehrenberg anmerkte, der Kredit die
stärkste Waffe in ihrem Freiheitskampf. Wer einem Fürsten einen
Kredit gewährte, der habe gewusst, dass die Rückzahlung allein von
der Zahlungsfähigkeit und dem Willen des Schuldners abhing. Ganz
anders bei den Städten, die über Hoheitsrechte verfügten, zugleich
aber auch Körperschaften, Vereinigungen von Individuen mit
gemeinsamer Haftung, gewesen seien. Nach allgemein anerkanntem Recht
habe jeder Bürger für die Schulden der Stadt gehaftet.
Parlamente
konnten also Schulden aufnehmen, die öffentlich und bindend waren,
unabhängig davon, wer auf dem Thron saß. Deshalb entwickelten die
ersten demokratischen Nationen, die Niederlande und Großbritannien,
die aktivsten Kapitalmärkte. Die Ironie: Ausgerechnet die
Erfordernisse der Kriegsfinanzierung förderten die Demokratie und
sorgten für eine Symbiose aus Kriegsführung, Kredit und
parlamentarischer Demokratie.
Der
Übergang zur gläubigerorientierten Finanzpolitik
Während
die Reformen des neunzehnten Jahrhunderts die Fähigkeit des
landbesitzenden Adels, Parlamente zu kontrollieren, verringerten,
bemühten die Bankiers sich flexibel um gute Beziehungen zu nahezu
jeglicher Staatsform. In Frankreich warb Saint-Simon für Banken, die
wie Genossenschaften funktionierten und Kredite gegen
Gewinnbeteiligungen vergaben. Der deutsche Staat ging ein Bündnis
mit der Hochfinanz und der Schwerindustrie ein. Marx erwartete, dass
der Sozialismus den Finanzsektor aus einem parasitären in ein
produktives Element der Wirtschaft verwandeln werde. In den
Vereinigten Staaten ging die Regulierung öffentlicher
Versorgungsunternehmen einher mit Gewinngarantien.
Während
des Ersten Weltkriegs verdrängten die Vereinigten Staaten
Großbritannien als größte Gläubigernation, und Ende des Zweiten
Weltkriegs verfügten sie über achtzig Prozent der weltweiten
Goldreserven. Amerikanische Diplomaten gestalteten IWF und Weltbank
nach gläubigerorientierten Grundsätzen und nutzten sie zur
Finanzierung von Handelsabhängigkeiten, hauptsächlich gegenüber
den Vereinigten Staaten. Kredite zur Finanzierung von Handels- und
Zahlungsbilanzdefiziten wurden an „Bedingungen“ geknüpft, die
die Lenkung der Wirtschaft auf Klienteloligarchien und
Militärdiktaturen verlagerte. Die demokratische Antwort auf die
daraus resultierende Sparpolitik, die nur der Sicherung des weiteren
Schuldendienstes diente, ging kaum über IWF-Ausschreitungen hinaus,
bis Argentinien die Bedienung der Auslandsschulden einstellte.
Eine
ähnlich gläubigerorientierte Sparpolitik zwingen die EZB und die
EU-Bürokratie heute den europäischen Staaten auf. Regierungen
wurden veranlasst, die Banken zu retten, statt Wirtschaftswachstum
und Beschäftigung zu fördern. Die Verluste durch faule Kredite und
Spekulationen werden vom Staat übernommen, während man die
Staatsausgaben senkt und sogar Infrastruktur verkauft. Die
Steuerzahler, an denen die Schulden hängenbleiben, reagierten mit
Protestkundgebungen wie im Januar 2009 in Island und Lettland und mit
Großdemonstrationen wie in diesem Herbst in Griechenland und Spanien
gegen die Weigerung der Regierungen, Volksabstimmungen über die
fatalen Rettungsaktionen für ausländische Gläubiger abzuhalten.
Der
Weg in die Schuldknechtschaft
In
jeder Wirtschaft gibt es Planung. Durch den Verzicht auf diese
Regierungsaufgabe unter dem Schlagwort „freie Märkte“ gerät die
Planung in die Hände der Banken. Doch wie sich zeigt, ist das
Planungsprivileg der Kreditschöpfung und Allokation noch stärker
zentralisiert als das der gewählten Volksvertreter. Und, schlimmer
noch, der finanzielle Zeitrahmen entspricht einer auf das
Ausschlachten von Unternehmen ausgerichteten Hit-and-run-Strategie.
Wenn die Banken allein auf ihre Gewinne achten, zerstören sie
tendenziell die Wirtschaft. Am Ende wird der Überschuss von Zinsen
und anderen Finanzierungskosten aufgezehrt, so dass nichts für neue
Kapitalinvestitionen oder elementare Sozialausgaben bleibt.
Deshalb
geht die Übergabe der politischen Kontrolle an eine Gläubigerklasse
nur selten mit Wirtschaftswachstum und steigendem Lebensstandard
einher. Die Tendenz, dass die Schulden schneller steigen, als die
Bevölkerung sie zu bezahlen vermag, ist eine Grundkonstante der
gesamten Geschichte.
In neuerer Zeit haben Demokratien einen
starken Staat gedrängt, Kapitaleinkünfte und Vermögen zu besteuern
und Schulden bei Bedarf abzuschreiben. Das fällt am leichtesten,
wenn der Staat selbst Geld- und Kreditschöpfung betreibt, und am
schwersten, wenn die Banken ihre Gewinne in politische Macht
ummünzen. Wenn man zulässt, dass die Banken sich selbst regulieren
und ein Vetorecht gegenüber staatlichen Regulatoren erhalten, kommt
es zu einer Verzerrung der Wirtschaft, die es den Gläubigern
erlaubt, sich an Spekulationsspielen und offenkundigen Betrügereien
zu beteiligen, wie sie das letzte Jahrzehnt geprägt haben. Unter
diesen Umständen ist die Alternative zu staatlicher Planung und
Regulierung des Finanzsektors ein Weg in die Schuldknechtschaft.
Die
Ökonomie in den Händen der Finanzwelt
Zur
Demokratie gehört es, die Dynamik des Finanzsektors für die
Sicherung des wirtschaftlichen Gleichgewichts und für
Wirtschaftswachstum einzusetzen - und Kapitaleinkünfte zu besteuern
oder an grundlegenden Monopolen im öffentlichen Bereich
festzuhalten. Wenn Einnahmen aus Vermögen unversteuert bleiben oder
privatisiert werden, sind sie „frei“, als Pfand für Banken zu
dienen und höhere Kredite zu ermöglichen. Die durch Fremdkapital
finanzierte Inflation der Vermögenswerte erhöht das
Kapitalvermögen, aber auch die Verschuldung der Gesamtwirtschaft.
Die Wirtschaft schrumpft, und das Eigenkapital wird negativ.
Der
Finanzsektor hat inzwischen genügend Einfluss, um die Regierungen in
solchen Notfällen davon überzeugen zu können, dass die Wirtschaft
zusammenbrechen werde, falls man „die Banken nicht rettet“. In
der Praxis erlangen die Banken dadurch eine noch größere Macht über
die Politik, und sie nutzen diesen Machtzuwachs, um die Wirtschaft
noch weiter zu polarisieren. Hier handelt es sich um einen Konflikt
zwischen nationaler Selbstbestimmung und den Interessen des
Finanzsektors. Die Vorstellung, wonach eine unabhängige Zentralbank
„das Kennzeichen der Demokratie“ sei, ist eine euphemistische
Umschreibung der Tatsache, dass man die wichtigste politische
Entscheidung - die Geld- und Kreditschöpfung - dem Finanzsektor
überlässt. Die organisierte Bankenrettung ist heute für den
größten Teil der wachsenden Staatsverschuldung verantwortlich.
Diktiert
wurde all das von Vertretern des Finanzsektors, die euphemistisch als
Technokraten bezeichnet werden. Von Lobbyisten der Gläubiger
designiert, sollen sie berechnen, wie viel Arbeitslosigkeit und
Abschwung nötig sind, um einen Überschuss zu erzielen, mit dem sich
die heute in den Büchern befindlichen Schulden bezahlen lassen. Das
Absurde an dieser Berechnung ist die Tatsache, dass eine schrumpfende
Wirtschaft - eine Schuldendeflation - die Schuldenlast noch
unbezahlbarer macht.
Schulden
zum Vorteil der Reichen
Weder
Banken noch staatliche Stellen (noch auch Mainstream-Akademiker)
haben berechnet, wie viel die Wirtschaft realistisch zahlen kann -
das heißt, ohne zu schrumpfen. Über ihre Medien und ihre Thinktanks
haben sie den Menschen eingehämmert, am schnellsten könne man reich
werden, indem man sich Geld leihe, um Immobilien, Aktien und Anleihen
zu kaufen, die – aufgrund der kreditgetriebenen Inflation – im
Preis steigen, wobei der Staat die im letzten Jahrhundert eingeführte
progressive Besteuerung des Reichtums rückgängig machen müsse.
Schlicht
und einfach gesagt: Das Ergebnis ist eine Ramsch-Ökonomie, deren
Ziel es ist, staatliche Kontrolle unmöglich zu machen und die
Planungsgewalt in die Hände der Hochfinanz zu legen, weil das
angeblich effizienter sei als eine staatliche Regulierung. Es wird
behauptet, staatliche Planung und Besteuerung seien „der Weg in die
Knechtschaft“, als wären „freie Märkte“ unter der Kontrolle
rücksichtslos agierender Banker nicht geplant, und zwar im Blick auf
Sonderinteressen oligarchischer statt demokratischer Art. Der Staat
soll eine Schuldenlast tragen, die nicht wie in früheren Zeiten
aufgenommen wurde, um das Land im Krieg zu verteidigen, sondern um
der reichsten Schicht des Landes durch eine Übertragung der Verluste
auf die Steuerzahler Vorteile zu bescheren.
Da die
Wünsche der Wähler nicht berücksichtigt wurden, steht die
Staatsverschuldung politisch und rechtlich auf schwankendem Boden.
Schulden, die auf bloßen Beschluss durch Regierungen oder
ausländische Finanzinstitutionen gegen starken Widerstand im Volk
gemacht wurden, sind möglicherweise ebenso unsicher wie die der
Habsburger und anderer Despoten vergangener Zeiten. Ohne Billigung
durch das Volk gehen solche Schulden möglicherweise gemeinsam mit
dem Regime unter, das sie gemacht hat. Neue Regierungen werden
vielleicht auf demokratischem Wege dafür sorgen, dass Banken und
Finanzsektor wieder der Wirtschaft dienen statt umgekehrt.
Zumindest
werden sie wohl versuchen, zu einer progressiven Besteuerung der
Vermögen und Einkommen zurückzukehren und damit die fiskalische
Last stärker auf Kapitaleinkünfte und Vermögen zu verlagern. Mit
einer erneuten Regulierung des Bankwesens und der Schaffung eines
öffentlichen Bankensektors knüpfte man an das sozialdemokratische
Programm an, das vor einem Jahrhundert auf einem so guten Wege zu
sein schien. Island und Argentinien sind die jüngsten Beispiele,
doch man kann durchaus auch weiter zurück auf das 1931 verkündete
Moratorium für die interalliierten Kriegsschulden und die deutschen
Reparationszahlungen blicken. Hier ist ein fundamentales
mathematisches und politisches Prinzip am Werk: Schulden, die nicht
bezahlt werden können, sind keine.
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