Samstag, 10. März 2012

Pressefreiheit – Bilanz 2011


Wie eng Demokratie und Medienfreiheit zusammenhängen, zeigt die Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter ohne Grenzen (ROG). Sie spiegelt die turbulenten Ereignisse des vergangenen Jahres wider, die die Innenpolitik einzelner Staaten vor allem in der arabischen Welt gravierend veränderten. Die Gegensätze zwischen den europäischen Staaten verschärften sich weiter, am wenigsten frei sind die Medien in Belarus und Aserbaidschan. Die USA fielen ab, nachdem die Polizei die Berichterstattung über die Occupy-Proteste behinderte.
An der Spitze der Rangliste stehen nach wie vor europäische Länder, am Ende Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Erstmals besetzen auch afrikanische Länder vordere Plätze. Die ROG-Rangliste der Pressefreiheit 2011 vergleicht die Situation der Medien in 179 Staaten und Regionen vom 1. Dezember 2010 bis zum 30. November 2011.
Die Liste spiegelt die turbulenten Ereignisse des vergangenen Jahres wider, die die Innenpolitik einzelner Staaten zum Teil gravierend veränderten. Weltweit berichteten Journalisten über Aufstände, autoritäre Regime antworteten mit systematischer Gewalt. „Es sollten nicht nur Proteste im Keim erstickt, sondern auch Berichte darüber unterdrückt werden“, so ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske.
In vielen Ländern wurden 2011 deutlich mehr Journalisten verhaftet, entführt oder geschlagen als in den vergangenen Jahren. Für totalitäre Regime wurde die Kontrolle der Medien zur Überlebensfrage. Ein Schwerpunkt der Gewalt waren die Straßenkämpfe in den arabischen Ländern. Immer stärker rückten dort auch Blogger und Bürgerjournalisten ins Visier der Behörden. Sie füllten Lücken, wo konventionelle Medien zensiert und ausländische Berichterstatter nicht zugelassen wurden. Die weltweiten Unruhen nur negativ zu bewerten, greift nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen jedoch zu kurz: „Wenn Auseinandersetzungen langfristig zu mehr Demokratie führen, kann das auch positive Folgen für die Pressefreiheit haben“, so Rediske.
Deutschland nimmt mit Platz 16 weiterhin eine stabile Mittelposition innerhalb der 27 EU-Länder ein
und verbesserte sich gegenüber dem vergangenen Jahr um eine Position.
Verfassungsgericht als Hüter der Pressefreiheit
Das Bundesverfassungsgericht garantiert traditionell einen hohen Stand der Pressefreiheit. Trotzdem versucht die Exekutive immer wieder, journalistisches Material zu beschlagnahmen (z. B. durch die Polizei bei den jüngsten Castor-Transporten) und die Herausgabe von journalistischen Mobilfunkverbindungsdaten bei der Strafverfolgung Dritter zu erzwingen. Im Dezember 2010 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Durchsuchung eines privaten Radiosenders für verfassungswidrig, der 2003 das Telefonat mit einem Polizeisprecher mitgeschnitten und gesendet hatte.
Beobachtung von Journalisten
Immer wieder sind Journalisten von der Auswertung ihrer Verbindungsdaten durch Polizei und Justiz betroffen. Bekannt wurden zudem Versuche von Bundesbehörden, Spionagesoftware auf fremden Computern zu installieren ("Bundestrojaner") – eine Abhörmaßnahme, die auch Journalisten treffen kann. Die Anzahl abgehörter Telefonate von Journalisten ist in den öffentlich zugänglichen Statistiken nicht gesondert ausgewiesen.
Quellen- und Informantenschutz
Während diese Problematik fast alle westlichen Industrieländer betrifft, fällt Deutschland gegenüber einigen, vor allem nordeuropäischen Ländern in der ROG-Rangliste leicht ab, weil diese Länder die Quellen und Informanten von Journalisten sorgfältiger und aktiver schützen. In Deutschland hat die Justiz dagegen noch nicht endgültig darauf verzichtet, undichte Stellen in staatlichen Apparaten ("Whistleblower") zu ermitteln. In solchen Fällen werden Verfahren gegen die publizierenden Journalisten eröffnet, um die Beschlagnahme ihrer Materialien zu rechtfertigen.
Zugang zu Behördeninformationen
Auch die Umsetzung des Rechts auf Zugang zu den Akten öffentlicher Stellen macht nur langsame Fortschritte. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im November 2011 entschieden, Bundesministerien dürften die Herausgabe von Akten nicht mehr mit der pauschalen Begründung ablehnen, die Unterlagen beträfen die Regierungstätigkeit. Dennoch scheitern journalistische Anträge immer wieder an Ausnahmen in den Informationsfreiheitsgesetzen von Bund und Ländern (z.B. bei öffentlichen Unternehmen oder der Vergabe staatlicher Aufträge) sowie an der langen Verfahrensdauer von Gerichtsprozessen.
Wirtschaftskrise und Pressekonzentration
Strukturelle Probleme beeinflussen die Vielfalt und Unabhängigkeit der Berichterstattung in Deutschland ähnlich wie in anderen westeuropäischen EU-Ländern. Weil Printmedien auf dem Anzeigenmarkt immer weniger einnehmen, wird in den Verlagen massiv gespart, Redaktionen werden zusammengelegt und die Zahl eigenständiger – vor allem lokaler – Tageszeitungen sinkt.
Akkreditierung
Probleme bereitet vielen, vor allem Bildjournalisten, die zunehmend restriktive Akkreditierungspraxis von privaten und halb-öffentlichen Veranstaltern (v.a. Konzerte und große Sportereignisse). Sie schränken die Berichterstattung ein oder machen die Akkreditierung von einer vorherigen Überprüfung durch den Verfassungsschutz abhängig.

Barometer 2012:
11 Journalisten getötet / 153 Journalisten inhaftiert / 9 Medien-Assistenten inhaftiert / 120 Online-Dissidenten inhaftiert


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