Wie
eng Demokratie und Medienfreiheit zusammenhängen, zeigt die
Rangliste der Pressefreiheit, die Reporter
ohne Grenzen (ROG). Sie spiegelt die turbulenten Ereignisse des
vergangenen Jahres wider, die die Innenpolitik einzelner Staaten vor
allem in der arabischen Welt gravierend veränderten. Die Gegensätze
zwischen den europäischen Staaten verschärften sich weiter, am
wenigsten frei sind die Medien in Belarus und Aserbaidschan. Die USA
fielen ab, nachdem die Polizei die Berichterstattung über die
Occupy-Proteste behinderte.
An der
Spitze der Rangliste stehen nach wie vor europäische Länder, am
Ende Eritrea, Nordkorea und Turkmenistan. Erstmals besetzen auch
afrikanische Länder vordere Plätze. Die ROG-Rangliste der
Pressefreiheit 2011 vergleicht die Situation der Medien in 179
Staaten und Regionen vom 1. Dezember 2010 bis zum 30. November 2011.
Die
Liste spiegelt die turbulenten Ereignisse des vergangenen Jahres
wider, die die Innenpolitik einzelner Staaten zum Teil gravierend
veränderten. Weltweit berichteten Journalisten über Aufstände,
autoritäre Regime antworteten mit systematischer Gewalt. „Es
sollten nicht nur Proteste im Keim erstickt, sondern auch Berichte
darüber unterdrückt werden“, so ROG-Vorstandssprecher Michael
Rediske.
In vielen Ländern wurden 2011 deutlich mehr Journalisten
verhaftet, entführt oder geschlagen als in den vergangenen Jahren.
Für totalitäre Regime wurde die Kontrolle der Medien zur
Überlebensfrage. Ein Schwerpunkt der Gewalt waren die Straßenkämpfe
in den arabischen Ländern. Immer stärker rückten dort auch Blogger
und Bürgerjournalisten ins Visier der Behörden. Sie füllten
Lücken, wo konventionelle Medien zensiert und ausländische
Berichterstatter nicht zugelassen wurden. Die weltweiten Unruhen nur
negativ zu bewerten, greift nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen
jedoch zu kurz: „Wenn Auseinandersetzungen langfristig zu mehr
Demokratie führen, kann das auch positive Folgen für die
Pressefreiheit haben“, so Rediske.
Deutschland
nimmt mit Platz 16 weiterhin eine stabile Mittelposition innerhalb
der 27 EU-Länder ein
und
verbesserte sich gegenüber dem vergangenen Jahr um eine Position.
Verfassungsgericht
als Hüter der Pressefreiheit
Das
Bundesverfassungsgericht garantiert traditionell einen hohen Stand
der Pressefreiheit. Trotzdem versucht die Exekutive immer wieder,
journalistisches Material zu beschlagnahmen (z. B. durch die Polizei
bei den jüngsten Castor-Transporten) und die Herausgabe von
journalistischen Mobilfunkverbindungsdaten bei der Strafverfolgung
Dritter zu erzwingen. Im Dezember 2010 erklärte das
Bundesverfassungsgericht die Durchsuchung eines privaten Radiosenders
für verfassungswidrig, der 2003 das Telefonat mit einem
Polizeisprecher mitgeschnitten und gesendet hatte.
Beobachtung
von Journalisten
Immer
wieder sind Journalisten von der Auswertung ihrer Verbindungsdaten
durch Polizei und Justiz betroffen. Bekannt wurden zudem Versuche von
Bundesbehörden, Spionagesoftware auf fremden Computern zu
installieren ("Bundestrojaner") – eine Abhörmaßnahme,
die auch Journalisten treffen kann. Die Anzahl abgehörter Telefonate
von Journalisten ist in den öffentlich zugänglichen Statistiken
nicht gesondert ausgewiesen.
Quellen-
und Informantenschutz
Während
diese Problematik fast alle westlichen Industrieländer betrifft,
fällt Deutschland gegenüber einigen, vor allem nordeuropäischen
Ländern in der ROG-Rangliste
leicht ab, weil diese Länder die Quellen und Informanten von
Journalisten sorgfältiger und aktiver schützen. In Deutschland hat
die Justiz dagegen noch nicht endgültig darauf verzichtet, undichte
Stellen in staatlichen Apparaten ("Whistleblower") zu
ermitteln. In solchen Fällen werden Verfahren gegen die
publizierenden Journalisten eröffnet, um die Beschlagnahme ihrer
Materialien zu rechtfertigen.
Zugang
zu Behördeninformationen
Auch
die Umsetzung des Rechts auf Zugang zu den Akten öffentlicher
Stellen macht nur langsame Fortschritte. Zwar hat das
Bundesverwaltungsgericht im November 2011 entschieden,
Bundesministerien dürften die Herausgabe von Akten nicht mehr mit
der pauschalen Begründung ablehnen, die Unterlagen beträfen die
Regierungstätigkeit. Dennoch scheitern journalistische Anträge
immer wieder an Ausnahmen in den Informationsfreiheitsgesetzen von
Bund und Ländern (z.B. bei öffentlichen Unternehmen oder der
Vergabe staatlicher Aufträge) sowie an der langen Verfahrensdauer
von Gerichtsprozessen.
Wirtschaftskrise
und Pressekonzentration
Strukturelle
Probleme beeinflussen die Vielfalt und Unabhängigkeit der
Berichterstattung in Deutschland ähnlich wie in anderen
westeuropäischen EU-Ländern. Weil Printmedien auf dem Anzeigenmarkt
immer weniger einnehmen, wird in den Verlagen massiv gespart,
Redaktionen werden zusammengelegt und die Zahl eigenständiger –
vor allem lokaler – Tageszeitungen sinkt.
Akkreditierung
Probleme
bereitet vielen, vor allem Bildjournalisten, die zunehmend
restriktive Akkreditierungspraxis von privaten und halb-öffentlichen
Veranstaltern (v.a. Konzerte und große Sportereignisse). Sie
schränken die Berichterstattung ein oder machen die Akkreditierung
von einer vorherigen Überprüfung durch den Verfassungsschutz
abhängig.
Barometer
2012:
11
Journalisten getötet / 153 Journalisten inhaftiert / 9
Medien-Assistenten inhaftiert / 120 Online-Dissidenten inhaftiert
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